Circular Packaging
Schönheit ohne Müll: die Zukunft der Kosmetikverpackung
Ein 100-prozentiges Papiersampling und somit eine vollständig recyclebare Alternative zu traditionellen Makeup-Proben. Auch erhältlich in einer kompostierbaren Variante. (Bilder: Avantade)

Die Kosmetikbranche setzt auf Schönheit – doch oft sind ihre Verpackungen alles andere als nachhaltig. Recycling, Refill, neue Materialien: Lösungen gibt es, aber sie setzen sich nur zögerlich durch. Melanie von Escher von Avantade zeigt, warum sich gerade die Kosmetikindustrie schwer tut und welche innovativen Ansätze es gibt, um Verpackungen kreislauffähiger zu machen.
Ein edles Parfumflakon, ein schimmernder Lippenstift – die Kosmetikindustrie setzt auf Ästhetik. Doch was nach Luxus aussieht, wird oft nach wenigen Wochen entsorgt. Warum sind gerade Kosmetikverpackungen so schwer kreislauffähig zu gestalten? Melanie von Escher kennt die Antwort. Sie ist Geschäftsführerin der Zuger Firma Avantade GmbH und spezialisiert darauf, der Verpackungsindustrie für Kosmetikprodukte die Digitalisierung näher zu bringen. Sie sagt: «Neben dem Öl- und Rohstoffmarkt ist die Verpackungsindustrie leider die am wenigsten digitalisierte Branche überhaupt.» Die Ursachen dafür ortet sie darin, dass die primäre und sekundäre Verpackungsindustrie, sowie unterschiedliche Materialien in dieser Branche extrem getrennt sind. Avantade bietet eine digitale Brückenfunktion an. Von Escher erklärt: «Wir matchen Einzelteile – zum Beispiel Flakon, Pumpe, Verschluss, Etikett, Faltschachtel und auf Wunsch Abfüllung – zu einem einzigen Szenario, das wir dann als Ganzes zertifizieren.» Diese Kompatibilitätsabstimmung erhöht auch für die Hersteller die Chance, dass ihre Einzelteile berücksichtigt werden. Doch nicht nur das: Ihrer Kundschaft bietet Avantade eine webbasierte 3D-Welt: Hier kann simuliert werden, wie die Produkteverpackung zum Beispiel für Parfüms, Crèmes oder Makeup-Müsterli aussehen könnte: Für die Konfiguration eines 50ml-Dispenser wählt man beispielsweise zuerst die Einzelteile, wie Deckel, Ring oder das Flaschenmaterial, bestimmt die Farbe der Einzelteile und entscheidet, wie der Dispenser bedruckt werden soll. Dann wählt man die Box und die gewünschte Quantität und kann per Knopfdruck den Eco Score und sogar den Preis berechnen lassen. Von Escher versichert: «Wir machen ein ehrliches Matching, und zwar so, dass das Produkt als Ganzes auf seine Recyclingfähigkeit bewertet wird.» Sie meint damit, dass Materialien eines Flakons oder Dispensers im Recyclingprozess nicht mit viel Energie wieder voneinander getrennt werden müssen. Aber wäre es denn nicht zielführender, auf Mehrwegverpackungen zu setzen? «Ohne Zweifel», so von Escher, «doch leider funktioniert das bei Kosmetika aktuell nicht gut.»
Die Schweizer und Schweizerinnen sind Recyclingweltmeister wenn es um PET oder Glas geht. Warum nicht bei Kunststoffverpackungen?
Melanie von Escher: Es fehlt das Anreizsystem und die Recyclinginfrastruktur ist aktuell hauptsächlich auf die Lebensmittelindustrie ausgelegt. Schweizer KonsumentInnen wissen oft gar nicht, wie sie komplexe Kosmetikverpackungen besser entsorgen könnten. In der Schweiz werden ausser von der Thuner Hoffmann Neopac AG kaum mehr Verpackungen für die Kosmetikbranche hergestellt. Oft landen branchenfremde Start-ups auf der Suche nach einer geeigneten Verpackung bei Anbietern aus Fernost.
Was ist eine Einwegverpackung? Sobald ich etwas aufschrauben kann, gilt es als Mehrwegverpackung. Oft wirft man solche Verpackungen aber trotzdem weg.
Melanie von Escher Geschäftsführerin Avantade GmbH

«Diese sind nicht per se schlecht», sagt von Escher. «Auch aus China kommen Verpackungen mit einem guten Eco Score», fährt sie fort. Dieser werde aber durch die langen Transportwege und fehlender Transparenz wieder zunichte gemacht. Avantade hingegen setze auf Produzenten in der näheren Umgebung der Kundschaft. Und man achte primär auf die Reduktion von Verpackungskomponenten und das Aufzeigen neuer Alternativen, wie zum Beispiel eine Warenprobe für Parfum und Makeup, die zu 100 Prozent aus Papier besteht.
Gibt es internationale Vorbilder in Sachen Circular Packaging?
von Escher: In den nordischen Ländern funktioniert die Circularity gut über die Marken, wird also von diesen direkt bewirtschaftet. Echte Circularity braucht jedoch ein zusammenhängendes Ökosystem, das über Ländergrenzen hinausgeht. Die Schweiz ist in Sachen Verpackung abhängig von ihren Nachbarländern, hat aber den grossen Vorteil dass sie viel agiler ist als ein typisches Industrieland. Wir müssen uns der digitalen Welt öffnen und uns nicht von alten Strukturen bremsen lassen.
Was halten Sie von einem Verbot bestimmter Einwegverpackungen?
von Escher: Verbote sind grundsätzlich schwierig. Und in der Verpackungsindustrie ist das auch eine Definitionssache: Was ist genau eine Einwegverpackung? Sobald ich etwas aufschrauben kann, gilt es offiziell als Mehrwegverpackung. Oft wirft man solche Verpackungen aber trotzdem weg. Das Greenwashing in diesem Bereich ist fast unerträglich. Nur weil etwas einen Holzverschluss hat, ist die Verpackung nicht einfach gut. Diese Ideen kommen immer wieder auf. Aber wir müssen schon bei der Verpackungsentwicklung neue Ideen entwickeln.
Von Escher ist einverstanden: Wiederverwendung und Reduktion sind sehr wichtige Schlagworte in Sachen Circular Packaging. Als gutes Beispiel nennt sie die Marke «La Prairie»: Der Kunststoff wird stetig reduziert, die benutzen Materialien sind gut recyclebar. Sie sieht aber auch gewisse Ermüdungserscheinungen bei den Firmen: «Das Thema Nachhaltigkeit ist nicht mehr so sexy wie auch schon.» Avantade nimmt darum subtil Einfluss, indem gewisse Lösungen oder Materialen weder vorgeschlagen und schon gar nicht mehr angeboten werden. Sie betont: «Nachhaltigkeit bedeutet auch nicht unbedingt teurer. Aber es ist definitiv aufwendiger, gute Lösungen zu finden.»
Zum Schluss, Frau von Escher: Wie kann das Bewusstsein der Konsumierenden für Circular Packaging gestärkt werden?
von Escher: Durch Aufklärung und coole Kampagnen über die inverkehrbringenden Marken. Es herrscht ein Community-Denken – da muss man ansetzen.
Angenommen Sie hätten von der Politik einen Wunsch frei, um Circular Packaging in der Schweiz zu fördern. Was würden Sie sich wünschen?
von Escher: Verpackungen nicht mehr als böse darzustellen, sondern als kostbaren Rohstoff zu behandeln. Die Bevölkerung mit einem einfachen Belohnungssystem für ihren Beitrag zur Rückführung einer Verpackung in den korrekten Kreislauf belohnen: bottom-up statt top-down.
Autor: Michel Bossart