Nachhaltigkeit, Effizienz und Kostendruck

„Individuelle Lösungen entstehen im Dialog“

Mario Germscheid, Packaging ­Engineer bei Orbis Europe, spricht über neue ­Regularien, Nachhaltigkeitsziele und technologische Anforderungen im ­Rahmen der PPWR.

Vor welchen konkreten Herausforderungen steht aktuell die Verpackungsindustrie?

Mario Germscheid: Die Verpackungsindustrie befindet sich in einer Zeit des Wandels, die von mehreren, zum Teil miteinander verknüpften Herausforderungen, geprägt ist. Die Unternehmen sehen sich mit neuen Re­gularien konfrontiert, die ab 2030 in Kraft treten und die Anforderungen an Nachhaltigkeit und Kreis­lauf­wirtschaft deutlich verschärfen. Diese Vorgaben zu er­füllen, erfordert umfassende Anpassungen der Liefer­ketten. Gleichzeitig wollen Unternehmen auch selbst nachhaltiger werden, ganz ohne Druck von außen. Unternehmen, die bislang beispielsweise auf Einweg-Pappkartons gesetzt haben, fragen jetzt nach kreislauffähigen Mehrweglösungen, um ressourcenschonender zu wirtschaften. Hinzu kommen die steigenden Roh­stoffpreise, die in der Branche deutlich spürbar sind. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Firmen zu­dem verstärkt auf moderne Technologien setzen. Trotz all dieser Faktoren sind sie gefordert, ­profitabel zu arbeiten. Diese vielfältigen Herausforderungen im Spannungsfeld von Nachhaltigkeit, Effizienz und Kostendruck zu bewältigen, ist keine leichte Aufgabe.

Die Zukunft der Verpackung liegt im Zusammenspiel von umweltfreundlichen, effizienten und smarten Lösungen.
Mario Germscheid Packaging Engineer Orbis Europe

Welche spezifischen Anforderungen ergeben sich daraus für eine Transportverpackung?

Germscheid: Transportverpackungslösungen müssen neben ihrer Wirtschaftlichkeit eine ­Vielzahl von Anforderungen erfüllen, um den steigenden Erwar­tungen an Nachhaltigkeit, Effizienz und ­Funktionali­tät gerecht zu werden. Eine entscheidende Eigenschaft ist dabei die Robustheit. Die Verpackung muss wider­standsfähig genug sein, um das Produkt zuverlässig zu schützen. Das gilt insbesondere für empfindliche oder gefährliche Güter wie Batteriezellen. Gleichzeitig ist die Wiederverwendbarkeit ein Schlüsselfaktor. Anwender erwarten Verpackungen, die nicht nur langlebig, son­dern auch recycelbar sind und sich somit in Kreislauf­systeme integrieren lassen. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die einfache Handhabung. Es sind Lösungen gefordert, die sich leicht in automatisierte Prozesse in­tegrieren lassen. Gerade hochauto­matisierte Branchen wie die Batterie­zellenfertigung verlangen anpassungsfähige Lösungen, die mit unterschiedlichen Zulieferern und damit auch Anlagen kompatibel sind. Hier kommt es darauf an, im engen Austausch mit Anwendern Verpackungen zu entwickeln, die optimal auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Darüber hinaus ist eine effiziente Nutzung des verfüg­baren Raums entscheidend. Das heißt, die Verpackung sollte platzsparend zu lagern sein und gleichzeitig den Innenraum eines Lkw maximal auslasten, um sowohl Lager- als auch Transportkosten einzusparen. Nur durch die Kombination all dieser Eigenschaften können Verpackungslösungen den Anforderungen moderner Lieferketten gerecht werden.

Wie unterstützen Sie dabei, individuelle Verpackungslösungen zu finden, die auf spezifische Bedürfnisse zugeschnitten sind?

Germscheid: Eine kundenspezifische Verpa­ckungslösung zu entwickeln, erfordert eine enge und partnerschaftliche Zusammenarbeit. Individuelle Lö­sungen entstehen im Dialog. Unser Team ‚Custom Solutions‘ begleitet Unternehmen in einem klar struk­turierten Prozess. Am Anfang der Entwicklung jeder Verpackungslösung steht die Analyse des konkreten Bedarfs. Der Anwender übermittelt uns alle Informa­tionen zu dem Bauteil, das verpackt werden soll, und nennt uns dabei seine spezifischen Anforderungen, etwa die gewünschte Behältergröße und die Packdichte. Nach einem gemeinsamen Kick-off-Meeting erstellen wir dann ein erstes Konzept zur Nutzenermittlung. Dieses enthält die passende Packdichte und die Aus­richtung der Bauteile. Anschließend entwickeln wir bei Bedarf ein weiteres Konzept inklusive der passen­­den Innenverpackung, um das Bauteil bestmöglich zu schützen. Nach der Design-Freigabe beginnen wir mit dem Bau eines ersten Musters. Dieses stellen wir vor, um eventuelle Anpassungen vorzunehmen. Sobald die Freigabe erteilt ist, geht die Verpackung in die Serien­fertigung. Bei Gefahrgutverpackungen ist der Prozess noch etwas umfangreicher: Hier senden wir vorab Prüfmuster an die zuständige Behörde, die gemäß Gefahrgutrecht die Leistungsfähigkeit unserer Verpackung überprüft.

Welche speziellen Tools setzen Sie für die Beratung ein?

Germscheid: Wichtig für uns sind Tracking Tools, die direkt in die Behälter integrierbar sind. Damit geben wir Unternehmen ein Werkzeug an die Hand, mit dem sie ihre Prozesse in Echtzeit überwachen und verbessern können. Mit den Tools lässt sich beispiels­weise ermitteln, wo sich der Behälter gerade befindet und wie lange er bereits im Umlauf ist. Sogar Um­gebungsbedingungen wie die Luftfeuchtigkeit im Inne­ren des Behälters können die Anwender überprüfen. Darüber hinaus enthalten die Tools Sensoren, die Verschmutzungen und Staubbelastungen messen. Die aus­gewerteten Daten helfen also nicht nur dabei, den ­Zustand der Behälter zu beurteilen, sondern liefern auch wichtige Informationen, um die Logistik- und Wartungsprozesse zu verbessern. Gleichzeitig nutzen wir die Ergebnisse, um unsere Produkte weiter zu opti­mieren. Für die Zukunft planen wir, diese Technologie weiter auszubauen und die Datenanalyse noch effi­­zienter zu gestalten.

Welche Trends und Entwicklungen sehen Sie für die Zukunft der Verpackungsindustrie in ihrem Bereich?

Germscheid: Die Verpackungsindustrie befindet sich in einem stetigen Wandel. Wir sehen mehrere zen­trale Trends, die in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen werden. Ein wesentlicher Fokus liegt dabei auch zukünftig auf umweltfreundlichen und recyclefähigen Verpackungen. Anwender und Endver­braucher erwarten zunehmend nachhaltige ­Lösungen, die nicht nur den steigenden gesetz­lichen Vorgaben entsprechen, sondern auch einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz leisten. Ziel ist es, Verpackungen zu entwickeln, die wiederverwendbar oder vollständig recycelbar sind, um Ressour­cen zu schonen und Ab­fall zu reduzieren. Wir bieten schon verschiedene kreis­lauffähige Lösungen an, die vollständig recycelbar sind. Um den Rezyklatanteil in anderen Produkten weiter zu erhöhen und neue Ansätze für umweltfreundlichere und wirtschaftlichere Lösungen zu finden, testen wir in unserem Innovation Center in den USA neue Materia­­lien aus. Auch die Automatisierung wird weiter an Aufwind ge­winnen. Intelligente Verpackungslösungen, die sich naht­los in automatisierte Produktionsprozesse einfügen, sind gefragter denn je. Die Zukunft der Verpa­ckung liegt also in einem Zusammenspiel von umweltfreundlichen, effizienten und smarten Lösungen.