PPWR

Paradigmen­wechsel

Abfallwirtschaft ist eines ihrer Spezialgebiete: Eva Müller-Axmann, Geschäftsführerin von RecycleMe, Österreich, informiert über die PPWR.

Frau Müller-Axmann, die PPWR ist am 11. Februar 2025 in Kraft getreten. Nun müssen Unternehmen handeln. Wie bewerten Sie die PPWR?

Eva Müller-Axman: Die PPWR ist aus unserer Sicht ein echter Gamechanger – inhaltlich wie auch prozessual. Als Beratungsunternehmen, das Inverkehrbringer im Rahmen der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) beglei­tet, sehen wir aktuell einen enormen Bedarf an Struktur, Klarheit und Unterstützung.

Die Anforderungen der Verordnung sind ambitioniert – von der Recyclingfähigkeit bis hin zur EPR mit neuen Melde- und Registrierungspflichten. In der Praxis bedeutet das für viele Unternehmen eine komplette Neuausrichtung interner Abläufe, teils über Ländergrenzen hinweg. Was dabei oft unterschätzt wird: Die Umsetzung ist kein einmaliger Kraftakt, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Genau da setzen wir an – mit skalierbaren Outsourcing-Lösungen für die EPR-Abwicklung, rechtssicherer Datenverwaltung und internationaler Compliance-Koordination. Die PPWR schafft endlich einen europäischen Rahmen. Das ist eine große Chance – für alle, die frühzeitig inves­tieren und operative Klarheit schaffen. Unser Ziel ist es, unseren Kunden zu helfen, nicht nur rechtskonform zu agieren, sondern ihre Marktchancen im Binnenmarkt voll auszuschöpfen.

Vom Mindeststandard zur EU-Vorgabe: Welche Anpassungen genau müssen deutsche Unternehmen denn vornehmen?

Müller-Axman: Die PPWR bringt konkrete Pflichten mit sich – viele davon greifen bereits deutlich vor 2030. Besonders im Fokus steht die Recyclingfähigkeit von Ver­packungen: Bis spätestens 2030 dürfen nur noch Verpa­ckungen in Verkehr gebracht werden, die einer bestimmten Recyclingklasse entsprechen. Wer unterhalb dieser Stan­dards bleibt, riskiert den Marktzugang. Zudem werden verbindliche Rezyklatquoten eingeführt, zum Beispiel bei bestimmten Kunststoffverpackungen. Diese müssen dokumentiert und nachgewiesen werden – das stellt viele Unternehmen vor technische wie organisatorische Herausforderungen. Ein weiterer zentraler Punkt ist die einheitliche Kennzeichnungspflicht, die unter anderem QR-Codes zur ­besseren Verbraucherinformation vorsieht. Auch hier ist nicht nur das Design betroffen, sondern der gesamte Verpackungsprozess – vom Datenmanagement bis zur rechtssicheren Umsetzung. Und schließlich: Die EPR wird deutlich verschärft. Wer Verpackungen in Verkehr bringt, muss stärker belegen können, wie diese zurückgenommen, sortiert und recycelt werden – inklusive entsprechender Meldungen und finan­zieller Beiträge. In manchen Ländern ist zusätzlich die Benennung eines Bevollmächtigten notwendig, was beson­ders für international tätige Unternehmen relevant wird. Die Herausforderung besteht nicht nur darin, diese Vor­gaben zu verstehen, sondern sie in bestehende Strukturen und Lieferketten zu integrieren – länderspezifisch, rechts­sicher und möglichst effizient.

Wie sieht es damit im Vergleich zu Österreich aus, sind Unternehmen hier schon weiter?

Müller-Axman: Österreich ist in einigen Bereichen früher aktiv geworden – allerdings oft aus anderen Gründen. Ein Beispiel ist die Umsetzung der SUP-Richtlinie (Single-Use Plastics): Während Deutschland dafür eigene Prozesse und Prüfsysteme geschaffen hat, ist man in Österreich pragmatischer vorgegangen – etwa durch die Integration der SUP-Mengen in die Systemmeldungen. Auch die Einführung des landesweiten Pfandsystems zu Beginn des Jahres hat Bewegung ins Thema Mehrweg gebracht – allerdings ebenfalls unabhängig von der PPWR. In der Praxis sehen wir in Österreich einige Leitbetriebe, die sich bereits seit Jahren mit recyclingfähigen Verpa­ckungslösungen beschäftigen. Diese Unternehmen profitieren nun davon, dass viele der kommenden Anforde­rungen – zum Beispiel zur Materialtrennung oder Sortier­barkeit – nicht völlig neu sind. Gleichzeitig gibt es eine starke Maschinenbau- und Recy­clingindustrie, die sich intensiv mit Rezyklaten beschäftigt und so technologische Kompetenz ins Land bringt. Aber auch österreichische Unternehmen stehen vor erheblichen Herausforderungen. Insgesamt lässt sich sagen: In beiden Ländern gibt es gute Ausgangsbedingungen in Teilbereichen – aber niemand ist bei der Umsetzung wirklich „voraus“. Die PPWR schafft erstmals einen einheitlichen Rechtsrahmen, der für alle Mitgliedstaaten neue, verbindliche Standards setzt. Das wird in der Praxis überall spürbar sein.

Bild: RaanGroup / Stefanie Steidl

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Welche Chancen eröffnen sich Unternehmen durch die PPWR?

­Müller-Axman: Die PPWR ist mehr als nur eine regu­lato­rische Vorgabe – sie wirkt auch als Beschleuniger für Transpa­renz, Standardisierung und langfristige ­Planungssicherheit. Für viele Unter­nehmen liegt die Chance darin, ihre Verpackungs- und Complianceprozesse jetzt strukturiert aufzustel­len – statt weiter in kurzfristigen Einzellösun­gen zu denken. Besonders vorteilhaft ist die europaweite Harmonisierung: Einheitliche Definitionen, Kennzeichnungsstandards und EPR-Anforderungen reduzieren Komplexität – gerade für international tätige Unternehmen, die bislang mit stark fragmentierten Vorgaben kämpfen mussten. Wer sich frühzeitig mit den neuen Regeln befasst, kann zudem interne Prozesse modernisieren – etwa durch bessere Datengrundlagen, automatisierte Meldesysteme oder digitale Verpackungsbewertungen. Das schafft nicht nur Rechtssicherheit, sondern reduziert mittel- bis langfristig auch operative Aufwände. Und nicht zuletzt steigt die Erwartungs­haltung entlang der Lieferketten: Handel, Systembetreiber und Verbraucher achten verstärkt auf nachvollziehbare Nachhal­tigkeitsstrategien. Die PPWR schafft hier einen ­Rahmen, der Unternehmen nicht nur zu „mehr Recycling“ zwingt, sondern ihnen die Möglichkeit gibt, sich als verant­wortungsbewusste Markt­teilnehmer zu positionieren – mit Wirkung über die Compliance hinaus.

In welche Prozesse, Technologien müssen Unternehmen jetzt noch „schnell“ investieren, um für die PPWR gerüstet zu sein?

Müller-Axman: Zentrale Voraussetzung ist ein belast­bares Datenfundament: Unternehmen müssen ihre Ver­pa­ckungen systematisch erfassen, korrekt klassifizieren und den jeweiligen regulatorischen Anforderungen zuordnen können – und das über Produkt- und Ländergren­zen hinweg. Wer heute noch mit Excel und manuellen ­Abstimmungen arbeitet, wird mittelfristig an Grenzen stoßen. Auch die Prozessintegration rückt stärker in den Fokus: Meldestrukturen, Compliance-Routinen und die Einbin­dung von Rücknahme- oder Mehrwegsystemen müssen nicht nur rechtskonform, sondern auch effizient sein. Das betrifft neben dem Verpackungseinkauf auch die Produkt­entwicklung, Vertrieb und teilweise sogar IT-Strukturen. Eine besondere Herausforderung liegt in den ­nationalen Ausprägungen: Obwohl die PPWR als EU-Verordnung grundsätzlich unmittelbar gilt, erfolgt die Umsetzung vieler technischer Details durch delegierte Rechtsakte – und ihre praktische Anwendung kann sich von Mitglied­staat zu Mitgliedstaat deutlich unterscheiden. Das betrifft nicht nur den administrativen Aufwand, sondern auch die Systemlogik, Meldezyklen und Datenarchitektur. Die ersten zentralen Vorgaben der PPWR greifen ab Mitte 2026, etwa bei Kennzeichnungspflichten und der EPR. Weitere Schlüsselelemente, wie die Recyclingfähigkeitspflicht (2030) oder die Verpflichtung zur Erreichung bestimmter Recyclingklassen ab 2038, erfordern bereits jetzt strate­gische Vorarbeit, da sie tief in Lieferketten und Produkt­gestaltung eingreifen. Darum wird es entscheidend sein, regulatorische Entwicklungen nicht nur auf EU-Ebene, sondern auch auf nationaler Ebene kontinuierlich zu beobachten. Nur wer frühzeitig erkennt, was wann und wo konkret gefordert wird, kann seine Prozesse rechtzeitig und sinnvoll an­passen – und damit Planbarkeit und Umsetzungssicher­heit schaffen.

Welche Strafen drohen bei nicht Einhalten der Regularien?

Müller-Axman: Alle Mitgliedstaaten sind dazu ver­pflichtet, wirksame und abschreckende Sanktionen bei Verstößen vorzusehen. Wie genau diese aussehen – etwa in Bezug auf Bußgeldhöhe oder Zuständigkeiten – wird aber erst im Zuge der nationalen Umsetzung konkretisiert. Klar ist: Wer künftig Verpackungen in Verkehr bringt, die nicht den Vorgaben entsprechen, wird mit spürbaren Konsequenzen rechnen müssen. Besonders im Bereich der EPR ist mit Nachforderungen zu rechnen, etwa wenn Mengen­meldungen fehlen oder unvollständig sind. In manchen Ländern kann das unter anderem zu behördlichen Nach­prüfungen führen. Zusätzlich steigt das Risiko für Reputationsschäden – gerade im internationalen Geschäft oder gegenüber Handels­partnern, für die nachvollziehbare Nachhaltigkeits-­Compliance zunehmend ein Auswahlkriterium ist.