Kreislaufwirtschaft
Nachhaltigkeit ist nicht schwarz und weiß
Bild: Kim Schneider/Adobe Stock
Dr. Thomas Gröner, Direktor und Inhaber von TG Pack Solutions, blickt auf mehr als 30 Jahre Erfahrung entlang der Verpackungswertschöpfungskette zurück. Das Thema Verpackung kennt er aus jeder Perspektive. Vor vier Jahren hat er sein eigenes Beratungsunternehmen mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit, Innovation und Business Development gegründet. Im Interview mit dem packREPORT teilt er seine Sicht auf Nachhaltigkeit, spricht über das Problem der Lebensmittelverschwendung und zeigt auf, dass manche politische Vorgaben fragwürdig sind.
Herr Dr. Gröner, Sie verfügen über umfangreiches Wissen und Erfahrung zu nachhaltigen Verpackungen. Inwiefern hat sich die Art und Weise verändert, wie Sie heute Ihren Beitrag zu moderner und nachhaltiger Verpackung leisten?
Dr. Thomas Gröner: Ich berate seit vier Jahren Unternehmen sowie Startups entlang der Verpackungswertschöpfungskette im Bereich Nachhaltigkeit, Innovation und Business Development. Dazu zählen sowohl Verpackungshersteller als auch abpackende Konsumgüterunternehmen in Europa und Nordamerika. Mein Ansatz lässt sich mit drei Worten zusammenfassen: ganzheitlich, offen und faktenorientiert. Ganzheitlich, weil ich aus der Perspektive von Materialherstellern, Verpackungsproduzenten und verpackender Industrie berate ebenso wie mit dem Blick der Entsorger sowie der Konsumentinnen und Konsumenten. Offen deswegen, da ich gänzlich frei in der Wahl von Materialien, Partnern und Anbietern agiere. Faktenorientiert insofern, weil ich als unabhängiger Dritter meine Konzepte komplett unabhängig und faktenbasiert zum Nutzen der Kunden erstelle.
Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema für die Verpackungsindustrie. Wo sehen Sie hier aktuell die Herausforderungen?
Gröner: Das Thema Nachhaltigkeit ist ein sehr komplexes Thema. Wenn ich an einer Schraube drehe, kann es durchaus sein, dass ich Verbesserungen in einem Bereich erziele, die aber möglicherweise an anderer Stelle nachteilig sind. Es ist also bei weitem nicht alles so schwarz und weiß, wie es gerne dargestellt wird. Die andere Herausforderung ist, dass Nachhaltigkeit zwar einen Mehrwert darstellt, aber oft auch mit Mehrkosten verbunden ist. Hier braucht es ein Verständnis dafür, dass Nachhaltigkeit Unternehmen Einsatz und Investments sowie häufig auch höhere Preise kostet. In diesem Gefüge von Komplexität und Kosten zu navigieren und das Optimum für die Gesellschaft und das Unternehmen zu finden, ist die größte Herausforderung.
Wie schätzen Sie die Rolle von Gesellschaft und Politik ein, wenn es darum geht, Nachhaltigkeit bei Verpackungen zu realisieren?
Gröner: Grundsätzlich müssen wir davon ausgehen, dass sich die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher wenige Gedanken um Verpackungen machen. Das betrifft zum einen die Funktionalität der Verpackung und zum anderen das End of Life. Stichwort Verbundverpackungen: Wenn man beim Joghurtbecher erst eine Lasche hochziehen muss, um dann die Papierbanderole abzunehmen, dann gehe ich davon aus, dass 80 Prozent der Menschen das einfach nicht tun. Deshalb ist es an uns, Lösungen zu gestalten, mit denen die Konsumentinnen und Konsumenten einfach umgehen können. Zudem sollte auf der Verpackung klar erkennbar sein, wie diese zu entsorgen ist. Hinzu kommt die Frage: Sind Verbraucherinnen und Verbraucher auch bereit, die Mehrkosten für nachhaltige Verpackungen zu tragen? Wenn sie am Regal den Preis sehen, fällt die Entscheidung oft nicht zugunsten der nachhaltigen Lösung aus. Dazu gibt es Datenpunkte, die eine starke Verzerrung zwischen dem Gesagten und dem Getanen auftun. Was die Politik anbelangt: Da wünsche ich mehr Faktenorientierung, oft macht es den Anschein, dass die zu kurz kommt.
Haben Sie ein Beispiel für den erwähnten Mangel an Faktenorientierung in der Politik?
Gröner: Im Bereich Single-use Plastics ist irgendwann der Strohhalm verbannt worden. Schaut man sich aber an, was in dieser Kategorie den höchsten Eintrag in die Umwelt hat, sind es die Zigarettenkippen, und zwar um ein Vielfaches im Vergleich zum Strohhalm. So ein Fehlschluss hat nicht nur hierzulande Konsequenzen, sondern auch woanders, wenn das Konzept kopiert wird. Das findet beim Beispiel Strohhalm gerade statt, in Indien sind diese nun auch verboten.
Beim Thema Nachhaltigkeit ist bei weitem nicht alles so schwarz und weiß, wie es gerne dargestellt wird.
Dr. Thomas Gröner Direktor und Inhaber TG Pack Solutions

Bild: TG Pack Solutions
Sie sind im Bereich Beratung und Entwicklung nachhaltiger Verpackungsstrategien und -lösungen tätig. Wie schätzen Sie die Rolle von Design for Recycling ein?
Gröner: Wenn wir Material im Kreislauf führen, ist das ein Schlüssel für nachhaltige Verpackungen. Das gilt für alle Materialien, von Papier über Karton, Kunststoff und Metall bis hin zu Glas. In fast allen Fällen ist ein Kreislauf ressourcenschonender und reduziert den CO2-Fußabdruck. Design for Recycling ist der Hauptmotor, dass dieser Kreislauf gelingt. Ebenso wichtig für die Kreislaufwirtschaft sind Sortierung, Recycling und Rezyklateinsatz. In Deutschland gibt es leider beim Recycling für flexible Verpackung Grenzen in der Sortierindustrie: Wenn eine Gummibärchentüte aus Monomaterial erst gar nicht in einen positiven Materialstrom sortiert wird, weil sie angeblich zu klein ist, dann stößt der Nutzen von Design for Recycling an seine Grenzen. In der modernen schwedischen Sortieranlage etwa werden flexible Verpackung bis 50 × 50 mm in die LDPE und PP flexible Fraktion sortiert. In Deutschland gilt das meist nur für Verpackungen größer A5 oder A4.
Wie schätzen Sie die Wirkung von Recyclingquoten für mehr Nachhaltigkeit in der Verpackungsindustrie ein?
Gröner: Generell sehe ich gesetzlich vorgegebene Recyclingquoten positiv. Bei Lebensmittelverpackungen, die nicht aus PET sind, ergeben jedoch produktbezogene Einsatzquoten wenig Sinn. In der aktuellen Variante der Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) wird viel darüber nachgedacht, die Einsatzquoten 2027 nochmal zu evaluieren. Im Prinzip lässt sich für Lebensmittelverpackungen nach dem jetzigen, von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erlaubten Stand, nur chemisches Recycling als Verfahren einsetzen – außer, sie sind aus PET. Das wiederum resultiert in einem Zielkonflikt, denn chemisches Recycling hat einen deutlich höheren CO2-Fußabdruck als die mechanische Variante. Die Schlussfolgerung für mich ist, nicht unbedingt Materialien, die mechanisch zu recyceln sind, ins Chemische bringen, nur um sie nachher quotenkonform wieder im Lebensmittelbereich einzusetzen. Darüber hinaus sollte es Recyclingquoten für alle Materialien geben (Papier, Karton, Kunststoff, Metall, Glas), nicht nur für Kunststoff wie in der PPWR gefordert.
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Sie waren in Unternehmen wie Nestlé tätig und große Lebensmittelunternehmen sind jetzt Ihre Kunden. Welche besonderen Herausforderungen gibt es bei der Verpackung von Lebensmitteln?
Gröner: Der Produktschutz ist viel höher zu bewerten als bei anderen Verpackungen. Lebensmittel haben häufig schon einen sehr hohen CO2-Fußabdruck, wenn sie in den Laden kommen, insbesondere tierische Lebensmittel. Da weist das Lebensmittel normalerweise einen eindeutig höheren Anteil an Kohlenstoffemissionen auf als die Verpackung. Im Durchschnitt entfallen nur 3 Prozent auf die Verpackung und 97 Prozent auf das Produkt selbst. Bei verpacktem Rindfleisch macht die Verpackung sogar nur 0,5 Prozent der CO2-Bilanz aus. Wenn das Produkt nicht optimal geschützt ist und das Essen dann im Abfall landet, steigen diese Werte nochmal. Wir wissen, dass weltweit ein Drittel aller Nahrungsmittel nicht gegessen wird – und in den westlichen Industrieländern findet diese Lebensmittelverschwendung überwiegend im Haushalt statt. Das gilt auch für Deutschland: Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft entstehen 59 Prozent der Lebensmittelabfälle in Haushalten. Deshalb gilt es hier dafür zu sorgen, dass unser Essen auch richtig geschützt ist und verzehrt werden kann. Optimierte Materialien und Verpackungsgrößen sind hier von hoher Wichtigkeit.
Nachhaltigkeit bei Verpackungen ist ein sehr komplexes Thema. Welche Rolle spielen hier Medien oder edukative Formate, um fehlendes Wissen in der Gesellschaft auszugleichen?
Gröner: Beides könnte eine wichtige Rolle spielen. Eine Herausforderung ist sicherlich, dass journalistische Formate, die mit dem Finger auf etwas zeigen, bessere Reichweiten erzielen als erklärende. Hinzu kommen bisweilen geringe Aufmerksamkeitsspannen beim Zielpublikum. Das gestaltet die Situation schwierig. Eine entsprechende Aufklärung schon in Schulen wäre ebenso hilfreich.
Welche Rolle können externe Beratungen für die Industrie spielen?
Gröner: Kurz gesagt: Der Vorteil für die Industrie ist zunächst einmal der unabhängige Blick von außen. Hinzu kommt die flexible Bereitstellung von Ressourcen, die teilweise in einem Unternehmen so nicht vorhanden sind, gerade mit Blick auf den aktuellen Fachkräftemangel.