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Szenarien rund um die PPWR

Rollen und Aufgaben verstehen

Was bedeutet die PPRW für Verpackungen der Obst- und Gemüsebranche? Verpackungsberater Till Isensee von Tilisco, Henning Kleinespel, stellvertretender Geschäftsführer Deutscher Fruchthandelsverband und Rechtsanwalt für Umweltrecht Dr. Markus Pauly haben dies zusammen mit dem Verpackungs­unternehmen Lorentzen & Sievers (L&S), seit Anfang des Jahres 2024 Teil der Prodinger-Gruppe, diskutiert.

Bin ich Hersteller oder Erzeuger einer Verpackung? Zählt das Klebeband, das Bananen zusammenhält, auch als Aufkleber? Die PPWR (Packaging and Packaging Waste Regulation oder auch EU-VerpackVO genannt), die am 22. Januar 2025 im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde, wirft noch Fragen auf. Sie zielt darauf ab, die Umweltauswirkungen von Verpackungen und Verpackungsabfällen zu verringern. Ihr Hauptziel: die Kreislaufwirtschaft zu fördern und die Menge an Verpackungsabfällen zu reduzieren. Dies soll durch die Förderung von Recycling, die Verbesserung von Verpackungsdesigns und der Reduzierung von nicht recycelbaren Materialien erreicht werden. Die meisten der geplanten Maßnahmen sollen ab 2030, 2035 oder ab 2040 in Kraft treten. Doch was kommt genau auf betroffene Unternehmen zu? Fragen und Antworten.

Gibt es Maßnahmen, die unmittelbar nach der Veröffentlichung / nach 18 Monaten gelten und umgesetzt werden müssen?

Dr. Markus Pauly: Die ersten Regelungen der PPWR müssen 18 Monate nach ihrem Inkrafttreten umgesetzt wer­den [ab dem 12. August 2026, Anm. d. Red.]. Ab diesem Zeit­punkt gelten bereits vereinzelte Regelungen als Inverkehrbringungs-Voraussetzungen für Verpackungen. Verpackun­gen sind dann bereits vor allem so herzustellen, dass das Vorhandensein und die Konzentration besorgniserregender Stoffe in Verpackungsmaterialien auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Verpackungen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, dürfen nicht mehr in Verkehr gebracht werden, wenn sie per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) in einer Konzentration von in der PPWR näher bestimmten Grenzwerten enthalten, soweit nicht ein anderer Rechtsakt das Inverkehrbringen generell verbietet. Die meisten anderen Regelungen weisen eigene Umsetzungsfristen von 24 bis 30 Monaten auf oder gelten ab dem 1. Januar 2030. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass einzelne Inverkehrbrin­ger, insbesondere Letzt­vertreiber, sozusagen im voraus­eilenden Gehorsam einzelne Anforderungen der PPWR deutlich vor den gesetzlichen Pflichten einfordern, um sich so zum Beispiel einen Marketing- beziehungsweise Wettbe­werbsvorteil zu sichern.

Henning Kleinespel: Die meisten Änderungen werden tatsächlich erst frühestens ab 2030 gültig werden. Es han­delt sich hier jedoch teilweise um gravierende und umfangreiche Anpassungen, die der Wirtschaft hier abverlangt werden. Beispielsweise im Hinblick auf das Kunststoffverpackungsverbot für Obst und Gemüse sind lange Vorlauf­zeiten zur Umstellung der Packanlagen und Anpassungen in der Logistik erforderlich. Es gibt aber auch für den Fruchthandel relevante Regelungen die früher gültig werden. Außerdem müssen bereits drei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung Aufkleber auf Obst und Gemüse und sehr leichte Kunststofftragetaschen industriell kompostier­bar sein. Bestimmte Kennzeichnungspflichten auf den Verpackungen werden 42 Monate nach Inkrafttreten der Verordnung gültig werden.

Till Isensee: Unsere Einschätzung ist wie folgt: Wäh­rend Mindestrezyklatanteil und Recyclingfähigkeit erst ab 2030 reguliert sind, gibt es einige Maßnahmen, die sofort beziehungsweise 18 Monate nach Inkrafttreten der PPWR greifen. Das sind zum Beispiel Verpflichtungen zu umfas­senden Selbsterklärungen (Konformitätserklärungen) zur Erfüllung der verpackungsrechtlichen Vorschriften für Ver­a­ckungshersteller, die Bevollmächtigungsverpflich­tung in Ländern, in denen Unternehmen nicht ansässig sind oder eine verpflichtende, einheitliche Kennzeichnung von Verpa­ckungen. Gerade für größere Unternehmen mit vielen Verpackungsarten und noch mehr Druckbildern gilt in der Regel ein ­Turnus von 24 Monaten, in denen die Verpackungsgestal­tung, zu denen natürlich auch der Druck und damit die Kennzeichnung gehört, angepasst wird. Bei manchen „Langsamdrehern“ ist die Anpassungsrate sogar noch geringer. Dies bedeutet, es müssen mindestens sechs Monate vor Inkrafttreten alle Informationen zur Umsetzung klar, unmissverständlich und eindeutig vorliegen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass dies selten der Fall ist. Somit ist nicht davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dies auch erfolgt ist. Realistisch ist eher ein bis zwei Jahre danach.

Wie lassen sich die verschiedenen Akteure der Wertschöpfungskette einordnen? Bin ich beispiels­weise Erzeuger, Hersteller, Vertreiber, Importeur oder Bevollmächtigter? Szenario A1: Ein deutscher Lebensmittelerzeuger kauft Verpackungsmaterial bei einem deutschen Verpackungshersteller für Früchte, die er unter seinem Namen verkauft – entweder direkt in seinem Hofladen oder an den Lebensmittel­einzelhandel (LEH). Welche Rollen nimmt der Lebensmittelerzeuger ein?

Pauly: Hier müssen zukünftig zunächst die neuen Begrifflichkeiten der PPWR beachtet werden. Derjenige, der eine Verpackung oder ein verpacktes Produkt herstellt, ist grundsätzlich Erzeuger der Verpackung. Als Hersteller wird das Unternehmen bezeichnet, das Verpackungen erstmals in einem Mitgliedstaat am Markt bereitstellt. Im Gegensatz zum deutschen Verpackungs­gesetz ist damit der Importeur von Verpackungen nicht automatisch Hersteller im Sinne der PPWR. Der Erzeuger der verpackten Lebensmittel dürfte in ­diesem Szenario in Bezug auf die Verpackung somit im Regelfall als Hersteller der Verpackung im Sinne der PPWR einzuordnen sein. Erwirbt der Lebensmittelerzeuger die Verpackung von einem Erzeuger, wird er selbst als Her­steller der Verpackung einzuordnen sein. Zusätzlich dürfte er als Vertreiber im Sinne der Verpackung einzuordnen sein, da er die Verpackung auf dem Markt bereitstellt. Die Vorgaben der PPWR treffen denjenigen, der die Verpackung in Verkehr bringt, wobei das als die erstmalige Bereitstellung von befüllten oder unbefüllten Verpackun­gen auf dem Unions­markt definiert wird. Erwirbt der Lebensmittelerzeuger somit die Verpackung ­unmittelbar vom Erzeuger der Verpackung, muss er die Vorgaben zur Einhaltung der PPWR beachten. Ist der Lebensmitteler­zeuger lediglich als Vertreiber der Verpackung einzustu­fen, muss er dennoch die Einhaltung der Vorgaben der PPWR beachten, wenn er die Verpackungen unter seinem eigenen Namen oder seiner eigenen Marke in Verkehr bringt.

Isensee: Auch hier müssen Anwälte dies genau rechtlich beurteilen. Unsere Einschätzung dazu ist diese: Der Erzeuger gilt als: 1. Hersteller im Sinne der PPWR, da er die Verpackungen erst­malig in Deutschland in Verkehr bringt und die Früchte unter seinem eigenen Namen verkauft und somit die Verantwortung für die Verpackung trägt. Der Erzeuger gilt als: 2. Erzeuger, weil er derjenige ist, der die Konformitätserklärung für die Verpackungen abgeben muss und die Früchte in die Verpackungen füllt und sie für den Verkauf vorbereitet. Der Erzeuger gilt als: 3. Inverkehrbringer, mit Verantwortung für die Teilnahme am Herstellerregister und die Systembeteiligung im Rahmen der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR).

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Szenario A2: Derselbe Lebensmittelerzeuger kauft das Verpackungsmaterial nicht direkt beim Erzeuger der Verpackung, sondern über einen deutschen Verpackungshändler, der das Material aus einem anderen EU-Land bezieht. Ändern sich die Rollen oder rechtlichen Verpflichtungen?

Pauly: Der Lebensmittelerzeuger dürfte in diesem Szenario als Vertreiber der Verpackung einzuordnen sein. Ihn treffen die Verpflichtungen der PPWR unmittelbar, wenn er die Verpackung unter seinem eigenen Namen oder seiner eigenen Marke in Verkehr bringt. Sollte er nicht selbst auf der Verpackung bezeichnet sein, muss er als Vertreiber die Anforderungen der PPWR mit gebührender Sorgfalt berücksichtigen. Es muss sich vor Bereitstellung der verpackten Lebensmittel unter anderem vergewissert werden, dass der Hersteller in das Herstellerregister ein­getragen ist und die Verpackung ordnungsgemäß gekenn­zeichnet ist. Isensee: Der Erzeuger erfüllt weiterhin die Kriterien eines Herstellers, Erzeugers und Inverkehrbringers gemäß der PPWR.