
Bilder: Vetropack
Qualitätsmanagement
„Wir haben jetzt ein messendes System“
Glasbruch an der Abfülllinie ist für Unternehmen aus der Getränke- und Lebensmittelbranche der Albtraum schlechthin – und kann zur Gefahr für Endverbraucher werden.
Die Suche nach der Fehlerquelle bei Glasbruch gestaltet sich oft langwierig und aufwändig. Der Glasverpackungshersteller Vetropack unterstützt mit moderner Messtechnik, Gefahrenpunkte nicht nur schnell zu lokalisieren, sondern im besten Fall sogar zu verhindern. Im Interview erläutert Michael Waltl vom technischen Kundendienst des Unternehmens, wie ein Inline-Sensor Gefahrenpunkte zielgerichtet identifiziert und welche Entwicklungen sich hier abzeichnen.
Herr Waltl, Sie bringen bei verschiedenen Kunden von Vetropack einen Sensor zum Einsatz. Was hat es damit auf sich?
Michael Waltl: Das ist richtig. Wir versehen einen von uns hergestellten Dummy mit dem Inline-Sensor ShockQC der kanadischen Firma Masitek. Dieser misst mit hoher Präzision Impact-Belastungen, die auf einen Glasbehälter wirken. Damit können wir direkt in den Werken unserer Kunden feststellen, wo Abfülllinien oder weitere Verpackungsprozesse optimiert werden müssen, um Glasbruch zu verhindern.
Wie kam es denn dazu, dass Sie mit dieser Methodik und dem Sensor von Masitek arbeiten?
Waltl: Ich bin bei Vetropack für den technischen Kundendienst verantwortlich. Das heißt: Mein Team und ich bearbeiten vor allem Reklamationen, die sich in seltenen Fällen auch auf Glasbruch beziehen. Wo auch immer sie vorkommen, stellen sie für den Kunden ein dringliches Problem dar. Wenn wir der Ursache auf den Grund gehen, ist es von Vorteil, über ein messendes System zu verfügen, mit dem wir Schwachstellen auf der Abfülllinie rasch identifizieren können, denn oft ist mit dem bloßen Auge nicht ersichtlich, wo genau die Behälter Schaden nehmen. Wir haben uns zwei Anbieter angeschaut und uns schnell für Masitek entschieden, da deren Produkt unserem Bedarf am ehesten entsprach.
Vermutlich gibt es Entwicklungen im Markt, die solche Technologien mehr und mehr erfordern?
Waltl: Ja, das kann man sagen. Erstens werden Leichtglasflaschen als umweltfreundliche Verpackungsalternative immer beliebter, da sie den Konsumenten mehr ansprechen und deutlich Ressourcen sparen. Dafür sind andere Einstellungen an der Abfülllinie notwendig. Zweitens werden mehr Produkte im High-Speed-Bereich abgefüllt. Viele Abfülllinien haben eine Geschwindigkeit von mehr als 50.000 Flaschen pro Stunde. Diese hohen Geschwindigkeiten führen zu höheren Belastungen auf den Glasbehälter. Natürlich haben sich über die Jahre auch die Abfülllinien vollständig gewandelt. Mit modernen Technologien sind höhere Geschwindigkeiten viel besser möglich. Dennoch kommen zu hohe Belastungen manchmal vor.
Sie unterstützen mit dem Sensor auch bei der Einstellung einer Linie für ein neues Produkt. Welchen Kunden konnten Sie denn bereits helfen? Die Einführung der Echovai-Leichtglasflasche spielt hier sicherlich auch eine große Rolle?
Waltl: Natürlich. Wir gehen mit dem Sensor einerseits zu Kunden, die ein neues Produkt erstmals in einem bestimmten Gebinde abfüllen. Hier identifizieren wir mit dem Sensor Stellen auf der Linie, die noch optimiert werden sollten. Anderseits gehen wir zu Kunden, bei denen ein bestimmtes Problem aufgetreten ist. Den Sensor haben wir seit 2020 im Einsatz und waren damit bisher bei zehn bis 12 Unternehmen mit ganz unterschiedlichen Produkten. Das betraf Bierbrauer wie Gösser, die ja gerade ihr neues Bio-Bier in der Echovai-Leichtglas-Standardflasche auf den Markt gebracht haben, aber ich war damit beispielsweise auch schon bei Unternehmen aus dem Food-Bereich. In einem Fall ging es um Gewürzgläser, im anderen um Brotaufstrich.
Wie genau funktioniert der Sensor? Wie muss man sich den Ablauf vorstellen?
Waltl: Wir arbeiten mit einer „Replica“, also einem Dummy aus Kunststoff. Jeder Glasartikel empfängt Belastungen anders. Also wird das jeweilige Glasprodukt unserer Kunden genau nachgebildet. Die Replik wird dann bei Masitek kalibriert und mit dem Sensor ausgestattet. Sensoren haben wir in drei unterschiedlichen Größen. Mit der Replik fahren wir zum Kunden und lassen diesen Dummy dann über die Linie laufen. Der Sensor misst, wo genau Kräfte beispielsweise im Schulter- oder Sockelbereich auf das Behältnis wirken. Er misst auch die Höhe der Kräfte – in IPS (Inches Per Second) – was uns Aufschluss darüber gibt, ob die für ein von uns produziertes Behältnis Impact-Mindestfestigkeit überschritten wird. Die gemessenen Datensätze werden ganze 100.000 Mal pro Sekunde an einen PC übermittelt, wo sie ausgewertet werden.
Erhalten Sie die Replica von Masitek?
Waltl: Nein, die Replica werden bis auf wenige Ausnahmen in unserer eigenen Lehrwerkstatt produziert. Dort werden alle zylindrischen Formen nachgebildet. Nur unrunde Formate können wir nicht selbst herstellen. Das spart uns zum einen eine Menge Geld, und zum anderen ist es ein gutes Training für unsere Lernenden.
Die Impact-Messung ist die mit Abstand wichtigste Größe. Hierbei erhalten wir alle Daten, die wir für die Analyse benötigen.
Michael Waltl Technischen Kundendienst Vetropack

Welches Feedback haben Sie von Ihren Kunden bisher erhalten?
Waltl: Für unsere Kunden stellen die mit dem Dummy gemessenen Daten natürlich wertvolle Informationen dar – auf deren Basis sie Glasbruch reduzieren oder vollständig vermeiden können. Mittlerweile haben sich die Tests mit dem Inline-Sensor in der Branche herumgesprochen. Das hat dazu geführt, dass auch Großkunden an uns herantreten. Ich fahre zum Beispiel bald zu einem Bierabfüller in Tschechien für ein Linienaudit mit dem Ziel, mögliche Gefahrenpunkte aufzudecken.
Wie schätzen Sie die Zukunft dieser Technik ein? Gibt es hier noch ungenutzte Potenziale?
Waltl: Nun, abgesehen von den erwähnten drei Sensorgrößen ist derzeit noch ein weiterer, sehr kleiner Sensor in der Entwicklung. Das wird interessant, denn damit wäre es dann möglich, Kleinstgebinde bei noch höheren Geschwindigkeiten zu untersuchen. Weitere Themen sind Staudruck- und Topload-Messungen. So existieren bei manchen Abfüllern Stautische, wo die Artikel aus verschiedenen Gründen aufgestaut werden. Bestimmte Sensoren können den entstehenden Staudruck messen. Bei der Topload-Kontrolle geht es um die Frage, wie stark Axialkräfte auf das Verschließsystem wirken, wenn dieses getestet wird. Aber die Impact-Messung ist die mit Abstand wichtigste Größe, und hier haben wir alle Daten, die wir für die Analyse benötigen.
Von dieser erweiterten Leistung des technischen Kundendienstes profitiert der Kunde sicher enorm.
Waltl: Genau. Mit dem Inline-Sensor ShockQS von Masitek haben wir jetzt ein messendes System, das Gefahrenpunkte zielsicher identifiziert. Das ist ein großer Unterschied zu früher und eine enorme Hilfe für uns – und damit auch für unsere Kunden. (hw)