Nachgefragt
Was deutsche Unternehmen tun können
US-Zölle legal minimieren
Unternehmen, die strategisch vorgehen und die richtigen Hebel nuten, können Belastungen durch Zölle deutlich senken. Prof. Dr. Christoph Juhn, Professor für Steuerrecht und Steuerberater, hat dem packREPORT Auskunft gegeben.
Herr Prof. Dr. Juhn, wie beurteilen Sie den Handelsstreit mit den USA aus Sicht der EU? Wird er sich lösen lassen; mit welchen Kompromissen? Der transatlantische Handelskonflikt ist ein zähes geopolitisches Ringen – und aus EU-Sicht alles andere als gelöst. Die USA verfolgen seit Jahren eine protektionistische Agenda, etwa durch zusätzliche Zölle auf Stahl, Aluminium oder technische Produkte. Auch unter Präsident Biden hat sich an dieser Grundausrichtung wenig geändert. Europa hingegen setzt auf multilaterale Lösungen, was eine Einigung erschwert. Besonders betroffen sind exportstarke Branchen wie Maschinenbau, Automotive und Hightech, diese stehen oftmals zusätzlich vor der Herausforderung komplexer Lieferketten. Mittelständler stehen dabei vor einer doppelten Herausforderung: Sie haben weniger Verhandlungsmacht und Ressourcen als Großkonzerne, gleichzeitig trifft sie jede zusätzliche Abgabe besonders hart. Eine Rückkehr zum Freihandel ist kurzfristig nicht zu erwarten. Umso wichtiger ist es, jetzt legale Spielräume zur Reduktion von Zöllen gezielt zu nutzen. Wie können deutsche Unternehmen legal Zölle, Anti-Dumping-Abgaben und Handelsbarrieren reduzieren – ohne ins Visier der Zollfahndung zu geraten? Ein bewährter Ansatz ist der „First Sale for Export“: Hier wird nicht der letzte Transaktionspreis versteuert, sondern ein früherer, günstigerer Preis innerhalb der Lieferkette. Voraussetzung: Der Verkauf muss explizit für den Export bestimmt und zwischen unabhängigen Parteien erfolgt sein. Auch die saubere Trennung immaterieller Leistungen vom Warenwert, etwa Softwarelizenzen oder Entwicklungskosten, kann Zollkosten legal minimieren. Weitere Stellschrauben sind optimierte Verrechnungspreise, eine korrekte Klassifizierung der Produkte im Zolltarif und vertraglich klug gestaltete Einkaufsbedingungen. Wichtig dabei: Dokumentation, Transparenz und eine enge Abstimmung zwischen Steuer- und Zollexperten. Nur dann bleibt die Maßnahme rechtssicher und wirtschaftlich wirksam. Welche Strategien zur Zollwertreduktion haben sich aus Ihrer Sicht als besonders wirksam erwiesen – auch bei mittelständischen Unternehmen mit begrenzten Ressourcen? Gerade für mittelständische Unternehmen lohnt sich eine pragmatische, priorisierte Herangehensweise. Die „First-Sale-Regel“ ist dabei oft der größte Hebel, besonders bei regelmäßigem Export in die USA. Der Aufwand für Nachweise und Vertragsgestaltung ist zwar nicht unerheblich, aber im Verhältnis zur potenziellen Einsparung meist gerechtfertigt. Auch die Aufteilung des Warenwerts in zollpflichtige und nicht-zollpflichtige Bestandteile ist relativ leicht umsetzbar, sofern eine klare Dokumentation vorliegt. Darüber hinaus empfehlen wir, bestehende Einkaufspreise und Vertragskonditionen auf zollrelevante Aspekte zu prüfen. Denn jede Preisreduzierung senkt den Transaktionswert und damit automatisch die Zollbelastung. Diese Maßnahmen lassen sich oft auch ohne tiefgreifende Umstrukturierungen implementieren und zahlen sich schnell aus. Rechnen Sie mit einer langfristigen Belastung durch US-Zölle? Was empfehlen Sie Unternehmen im Hinblick auf ihre Lieferketten oder Einkaufsstrategien? Die derzeitige Zollbelastung wird uns länger begleiten. Unternehmen sollten deshalb zollrelevante Themen nicht isoliert betrachten, sondern in ihre gesamte Supply-Chain-Strategie integrieren. Wer etwa die Bezugsquelle oder Produktionsstandorte diversifiziert, kann Freihandelsabkommen oder Zollpräferenzen gezielt nutzen. Auch die Einrichtung von Zollfreizonen, Konsignationslagern oder Umgehungsstandorten außerhalb der USA kann sinnvoll sein – allerdings nur im Zusammenspiel mit steuerlichen, rechtlichen und logistischen Aspekten. Kurz gesagt: Wer heute proaktiv gestaltet, kann sich morgen Wettbewerbsvorteile sichern. (mns)