Recyclingfähigkeit reicht nicht
Den Wandel zur Kreislaufwirtschaft mitgestalten
Bilder: Wipf

Die Wipf AG will flexible Verpackungen nachhaltiger machen – mit recyclingfähigen Materialien, technischer Innovationskraft und Beteiligung an Brancheninitiativen. Doch wie alltagstauglich sind die Lösungen wirklich? Ein Blick hinter die Kulissen eines Unternehmens im Wandel.
Die Wipf AG mit Sitz in Volketswil (ZH) zählt zu den etablierten Herstellern flexibler Verpackungslösungen in der Schweiz. Das Unternehmen gehört zur über hundert Jahre alten Wipf Gruppe und beliefert vor allem die Food-, Non-Food-, Pet Food- und Pharmaindustrie. In Zeiten wachsender Anforderungen an Nachhaltigkeit präsentiert sich Wipf als Anbieter von recyclingfähigen Verpackungslösungen – ein Anspruch, der zunehmend zum Wettbewerbsfaktor wird. Doch wie viel Substanz steckt hinter diesem Nachhaltigkeitsversprechen?
Vom Familienbetrieb zum Technologiepartner
Bei Wipf arbeiten derzeit mehr als 240 Mitarbeitende aus 20 Nationen. Was ursprünglich als Druckerei begann, ist laut Unternehmensangaben heute ein Spezialist für hochfunktionale, flexible Verpackungen Wipf verweist auf kontinuierliche Investitionen in Technologie und Infrastruktur: moderne Kaschieranlagen, Digitaldrucksysteme für Kleinauflagen sowie die eigene Herstellung von Aromaschutzventilen sollen die Position im Markt stärken. Auch Monomaterialien, also kunststoffsortenreine Verpackungen, gehören inzwischen zum Angebot. Ob diese technologischen Fortschritte im industriellen Massstab die Nachhaltigkeitsversprechen einlösen können, hängt nicht zuletzt von der Leistungsfähigkeit und Recyclingfähigkeit im Alltag ab.
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Technologische Entwicklungen im Bereich Monomaterialien
Ein Schwerpunkt der Wipf AG liegt auf der Entwicklung recyclingfähigen Verpackungsfolien auf Basis von sortenreinen Polyolefinen wie Mono-PE und Mono-PP. Diese sollen laut Unternehmen die funktionalen Eigenschaften klassischer Mehrschichtverbunde – etwa in puncto Aromaerhalt, Siegelverhalten und Barrierewirkung – mit einer verbesserten Recyclingfähigkeit verbinden. Gerade bei hohen Anforderungen wie Haltbarkeitsdauer, Wärmebehandlung, Stabilität und Barriereschutz. Wipf bietet folgende marktreife Anwendungen: einen Monobeutel für Krautprodukte sowie ein Aromaschutzventil aus Mono-PE, das gemeinsam mit Kunden entwickelt und laut Hersteller weltweit erstmals vollständig recyclingfähig ist. Ob sich solche Lösungen im industriellen Alltag durchsetzen und bestehende Verbundmaterialien ersetzen können, hängt jedoch nicht nur von der Verpackung selbst ab – sondern auch von ihrer Verarbeitbarkeit auf bestehenden Anlagen und von der Infrastruktur zur stofflichen Verwertung. Das Unternehmen setzt dabei auf Kooperationen entlang der Wertschöpfungskette – mit Rohstofflieferanten, Maschinenherstellern und Markenartiklern – sowie auf eigene Labortests und Validierungen. Die tatsächliche Breitenanwendung solcher Lösungen steht vielerorts aber noch aus. Nachhaltigkeit beschränkt sich bei Wipf nicht nur auf das Produkt, sondern schliesst auch die Produktion mit ein. In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen nach eigenen Angaben verschiedene Massnahmen ergriffen, um den Energieverbrauch und die Emissionen am Standort Volketswil zu senken. Bereits seit 2021 verfügt Wipf AG über eine Photovoltaikanlage, die kontinuierlich erweitert wurde und nun insgesamt 1'613 Solarmodule mit einer Leistung von 651 kWp umfasst. Zusätzlich wurden Druckluftsysteme und Kälteanlagen modernisiert sowie die Beleuchtung vollständig auf LED umgestellt. Auch interne Abläufe – etwa in der Lagerhaltung, bei der Nutzung von Abwärme oder beim Umgang mit Druckfarben und Lösemitteln – werden laut Wipf unter ökologischen Gesichtspunkten überprüft und schrittweise angepasst. Seit 2023 ist die Wipf AG Mitglied im UN Global Compact und hat sich der Science Based Targets Initiative (SBTi) angeschlossen. Damit verpflichtet sich das Unternehmen zur Umsetzung wissenschaftsbasierter Klimaziele. Aktuell liegt der Fokus auf der Reduktion sogenannter Scope-1- und Scope-2-Emissionen, also jener Emissionen, die direkt im Unternehmen entstehen oder durch den Energiebezug verursacht werden. Mit den realisierten Massnamen liegt Wipf seit SBTi-Start im 2022 unter dem Zielpfad: «Ein sehr positives Resultat», freut sich CEO Oliver Fankhauser.
Strategie mit Fokus auf Kreislauf und Ausbildung
Aus diesem Grund engagiert sich Wipf AG mit zahlreichen weiteren Organisationen für den schweizweiten Verein RecyPac, um die Kreisläufe für Kunststoffverpackungen und Getränkekartons entlang der Wertschöpfungskette zu schliessen. Dabei verpflichtet sich Wipf, bei der Herstellung flexibler Verpackungen das Design4Recycling zu berücksichtigen – im Einklang mit den aktuellen EU-Regelungen. Dazu Fankhauser: «Ziel ist es, grössere Mengen an Recyclingmaterial zu generieren und möglichst viel davon wieder in die Verpackungsindustrie zurückzuführen.» Auch im Bereich Ausbildung zeigt sich Wipf engagiert. Rund zehn Prozent der Belegschaft sind Lernende – ein vergleichsweiser hoher Anteil. Das Unternehmen beteiligt sich an der Ausbildung von Verpackungstechnologinnen und -technologen und bringt sich aktiv in Brancheninitiativen ein. Ob dieses Engagement auch langfristig den steigenden Bedarf an qualifiziertem Nachwuchs decken kann, wird sich zeigen.
Zertifizierungen und Berichtswesen
Im Bereich Managementsysteme verweist die Wipf AG auf mehrere etablierte Zertifizierungen – darunter ISO 9001 für Qualitätsmanagement, ISO 14001 für Umweltmanagement, SMETA für soziales und Ethik und FSSC 22000 für Lebensmittelsicherheit. Zusätzlich lässt sich das Unternehmen regelmässig von der Nachhaltigkeits-Ratingagentur EcoVadis bewerten. Die Ergebnisse dieser Bewertungen sind allerdings nicht öffentlich einsehbar. In der hauseigenen Nachhaltigkeitsbroschüre führt Wipf verschiedene Massnahmen und Ziele auf, ergänzt durch eine jährliche «Communication on Progress» im Rahmen des UN Global Compact. Diese Berichterstattung schafft Transparenz – zumindest in den Bereichen, die das Unternehmen selbst in den Fokus stellt.
Zwischen Anspruch und Umsetzung
Die Food-, Non-Food-, Pet Food- und Pharmaindustrie stehen unter hohem Veränderungsdruck: Gesetzliche Vorgaben zur Recyclingfähigkeit, steigende Rohstoffkosten und wachsender gesellschaftlicher Druck auf Markenunternehmen erhöhen die Anforderungen an Verpackungslösungen. In diesem Umfeld positioniert sich die Wipf AG als technologisch fortschrittlicher Partner, der Nachhaltigkeit nicht nur mitdenkt, sondern aktiv mitgestaltet. Ob dieser Anspruch dauerhaft trägt, wird sich an mehreren Fronten zeigen müssen: an der praktischen Recyclingfähigkeit der angebotenen Monomaterialien, an ihrer industriellen Skalierbarkeit und an der Akzeptanz im Markt. Dass Wipf mit innovativen Ansätzen, technischen Ressourcen und langjähriger Branchenerfahrung in einer guten Ausgangsposition ist, steht ausser Frage. Entscheidend wird jedoch sein, wie konsequent diese Stärken in den nächsten Jahren in konkrete, breit einsetzbare Lösungen übersetzt werden.
Wipf AG: CEO Oliver Fankhauser im Interview
«Innovationen brauchen einen langen Atem»
Wie garantieren Sie bei Ihren recycelbaren Mono-Materiallösungen (PE/PP) die gleichen Barriereschutzleistungen wie bei klassischen Verbundfolien?
Oliver Fankhauser: Wir verwenden ausschliesslich qualitativ erstklassige Materialien. Dank unserer langjährigen Erfahrung in der Auswahl und Kombination geeigneter Folien, Klebstoffe und Lacke entwickeln wir individuelle Lösungen mit optimaler Performance. Unser Verarbeitungs-Know-how, ergänzt durch interne Tests in unserem Prüflabor sowie externe Prüfungen gemäss geltenden Normen, stellt sicher, dass die Barriereanforderungen zuverlässig erfüllt werden.
Wipf engagiert sich für «Sammlung 2025» – wie realistisch ist der Aufbau einer flächendeckenden Recyclingstruktur, die Ihre nachhaltigen Verpackungen tatsächlich verwerten kann?
Fankhauser: Mit der Gründung des Vereins RecyPac Ende 2023 ist die entscheidende Frage nicht mehr ob, sondern wann die Umsetzung vollständig gelingt. Neben dem Engagement der gesamten Wertschöpfungskette braucht es allerdings auch gesetzliche Anpassungen. Die parlamentarische Initiative «Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken» schafft mit der Revision des Umweltschutzgesetzes ab Januar 2025 bereits wichtige Voraussetzungen. Weitere rechtliche Schritte – etwa zur Lockerung des Monopols auf Siedlungsabfälle – sind bis 2027 geplant.
Wo steht die Wipf AG aktuell in Bezug auf ihre SBTi-Ziele? Welche konkreten Massnahmen sind am dringendsten, und wo sehen Sie Zielkonflikte zwischen wirtschaftlichem Druck und Klimastrategie?
Fankhauser: Wipf engagiert sich seit über 25 Jahren intensiv für die Reduktion von Treibhausgasen und hat den CO₂-Ausstoss aus Brennstoffen bereits um über 80 Prozent gesenkt. Die grössten Hebel für weitere Fortschritte liegen nun in der Umstellung von lösemittelhaltigen Klebstoffen, Druckfarben und Lacken auf lösemittelfreie Alternativen. Diese Transformation erfordert hohe Investitionen in neue Anlagen und Technologien mit entsprechend langen Amortisationszeiten.
Nachhaltige Verpackungen sind oft teurer. Wie vermitteln Sie Ihren Kunden, dass sich diese Investitionen langfristig lohnen – ökologisch und ökonomisch?
Fankhauser: Wir zeigen konkret auf, wo ökologische Vorteile entstehen – und stellen sicher, dass unsere Mono-Materiallösungen effizient auf bestehenden Abfüllanlagen laufen. Denn Nachhaltigkeit darf nicht zu höherem Ausschuss oder ineffizienten Prozessen führen. Langfristig lohnt sich der Umstieg für viele Kunden, denn die Recyclingfähigkeit wird zunehmend regulatorisch gefordert.
Sie bringen regelmässig neue Technologien wie das Mono-PE-Aromaschutzventil auf den Markt. Wie gelingt Ihnen die Skalierung solcher Innovationen?
Fankhauser: Viele unserer Innovationen entstehen im engen Austausch mit Kunden. Werden konkrete Bedürfnisse an uns herangetragen, prüfen wir gemeinsam das Potenzial – und entwickeln idealerweise direkt mit einem Pilotkunden eine marktreife Lösung. Das erleichtert nicht nur die technische Umsetzung, sondern auch die Amortisation der Entwicklungskosten. Der Weg zur Skalierung ist allerdings selten kurzfristig. Neue Verpackungstechnologien brauchen Zeit, bis sie im Markt wirklich ankommen. Als unabhängiges Familienunternehmen mit langfristigem Fokus bringen wir dafür den nötigen «langen Schnauf» mit.
