
Recyclat-Weltrekord aus Mainz
Einen Blick hinter die Kulissen möchten wir mit der Rubrik „packREPORTer“ werfen. Anlass für die erste Reportage im Mulimedia-Stil war die Schlagzeile „1 Milliarde Flaschen aus 100 Prozent PCR“. Also fuhren wir über den Rhein und schauten uns die Produktion von Werner & Mertz einmal genauer an.
„1 Milliarde Flaschen aus 100 Prozent PCR“ – welch eine Schlagzeile. 2012 hat der Mainzer Reinigungsmittelhersteller Werner & Mertz die Recyclat-Initiative mit Kooperationspartnern entlang der gesamten Wertschöpfungskette ins Leben gerufen, um die hochwertige Wiederverwertung von Kunststoff aus haushaltsnahen Sammlungen wie dem Gelben Sack mittels mechanischen Recyclings voranzutreiben. Seitdem konnte die Initiative zahlreiche Erfolge vorweisen: Bereits 2014 kamen die ersten Frosch Spülmittel mit rPET-Flaschen aus 100 Prozent Post-Consumer-Recyclat (PCR) in den Markt, davon 20 Prozent aus der Quelle Gelber Sack. Seitdem wurde der Einsatz von Gelbem-Sack-Material kontinuierlich gesteigert.
Beispielsweise gibt es seit 2016 rHDPE-Flaschen aus 100 Prozent Recyclat aus dem Gelben Sack, die für Produkte der Marken Emsal und Green Care Professional Verwendung finden. Bei den rPET-Flaschen für die Marke Frosch wurde der Gelbe-Sack-Anteil 2021 von 20 auf 50 Prozent und 2023 von 50 auf 75 Prozent erhöht. Und am 23. Juni 2025 wurde ein neuer Rekord aufgestellt: Werner & Mertz erreichte dann im Rahmen der Initiative 1 Milliarde rPET-Flaschen aus 100 Prozent PCR!
Größte Recyclat-Flaschen-Fertigung
Unsere Exkursion begann mit einer herzlichen Begrüßung und einer kurzen Vorstellung des Unternehmens. Werner & Mertz gibt es seit über 150 Jahren. 1867 wurde das Unternehmen als Wachswarenfabrik „Gebrüder Werner“ in Mainz gegründet.
Heute produziert das Unternehmen ökologische und gleichzeitig leistungsstarke Reinigungs- und Waschmittel sowie Schuhpflegeprodukte. Bekannt ist das Familienunternehmen für die Marken Frosch, Emsal, Erdal und Green Care Professional. Neben dem Firmen-Logo des roten Froschs gibt es seit den 1980er Jahren das Logo der Marke Frosch, die heute als echt grüne Vertrauensmarke weltweit bekannt ist. Alexander Schau, Leiter der Verpackungsentwicklung bei Werner & Mertz, führte durch das Werk und zeigte dem packREPORTer die Herstellung und Abfüllung der zu 100 Prozent aus Post-Consumer-Recyclat (rPET) hergestellten Flaschen. Das 2019 eingeweihte Produktionszentrum am Hauptstandort war zum damaligen Zeitpunkt die größte Recyclat-Flaschen-Fertigung der Welt und ist mit 30 Millionen Euro, die größte Einzelinvestition in der Geschichte des Unternehmens. Schon beim Bau des Produktions- gebäudes wurde viel Wert auf Nachhaltigkeit gelegt. So wurde unter anderem die rechtlich größtmögliche Menge an Recycling-Beton eingesetzt und das Dach des Produktionszentrums ist zu zwei Dritteln mit Photovoltaik-Modulen bedeckt, womit beispielsweise die Stromversorgung der Kältemaschinen abgedeckt wird. Der Verpackungshersteller Alpla, der schon seit Jahren auf dem Werksgelände von Werner & Mertz die transparenten Frosch-Flaschen aus 100 Prozent Altplastik produziert, ist ebenfalls in das neue Gebäude eingezogen, was seitdem nicht nur eine on-site-, sondern sogar eine Inhouse-Fertigung ermöglicht. Die gemeinsame Fertigungshistorie begann im Jahr 1995, als Alpla die Produktion von Verpackungen für Werner & Mertz auf dem Firmengelände in der Ingelheimer Aue startete. Die neue Inhouse-Produktion ist nur ein Stockwerk unter der Abfüllung angesiedelt und spart immens Transportwege und minimiert dadurch gleich doppelt CO₂-Emissionen. Aber sehen sie sich die Produktion in unserem Reportagevideo (Rundgang durch die größte Recyclat-Flaschen-Fertigung der Welt) einmal genauer an. Da auch der Verpackungshersteller Alpla zugegen war, erhalten sie einen umfassenden Einblick in den Produktions-, Abfüll- und Verpackungsprozess des familiengeführten mittelständischen Herstellers von Reinigungs- und Pflegemitteln.
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Charakteristische Lieferkette
Im Anschluss stand Alexander Schau für ein Interview bereit und erklärte die Anlage auch im Detail und informierte zudem über die Recyclat-Initiative, die durch Reinhard Schneider bereits 2012 ins Leben gerufen wurde. Kooperationspartner entlang der Wertschöpfungskette setzen sich im Rahmen dieser Initiative für das hochwertige Recycling von Altplastik aus haushaltsnahen Sammlungen wie dem Gelben Sack ein. Alexander Schau erklärt: „Fester Bestandteil der Firmenphilosophie sind intelligente Verpackungslösungen mit möglichst hohem Recyclatanteil, wie etwa die Flasche des Glasrei- nigers, die zu 100 Prozent aus recycelbarem Mate- rial besteht. Selbst der darauf verbaute Trigger besteht aus Monomaterial und das Ventilmaterial ist aus einem kompatiblen Material gefertigt“. Für diesen Trigger kooperiert Werner & Mertz mit Berry, das jetzt zu Amcor gehört. „Bei Neuentwicklungen mit unseren Lieferanten wollen wir auch immer eine gewisse Exklusivität. Das komplette Produkt ist im Prinzip eine Eigenentwicklung, der Inhalt, die Flasche und der Sprühkopf. Auch wenn jetzt nur ein einfacher Schraubverschluss verwendet wird und es den bei einem oder mehreren Anbietern zu kaufen gibt, gibt es aber klare Materialvorgaben. Wir kennen den Markt der Recycler ganz genau und treffen eine Vorauswahl. Wenn Lieferanten uns Rezyklate vorschlagen, dann prüfen wir diese, weil wir vermeiden wollen, dass wir Ocean Plastic, Post-Industrial-Rezyklate oder sogenanntes chemisch recyceltes Material bekommen. Wir möchten aber auch keine Post Consumer Rezyklate aus Fernost, Afrika oder der Türkei. Also Rezyklate, die spottbillig sind und erstaunlich hell und transparent – wie Virgin Material. Werner & Mertz nimmt aus ökologischen Gründen nur Material aus Deutschland oder Europa. Da ist alles nach vollziehbar und zertifiziert. Letztendlich haben wir ein Versprechen einzuhalten,“ klärt Alexander Schau auf.
Preforms sparen Energiekosten
Alexander Schau: „Das Material haben wir mit Alpla zusammen spezifiziert, welches dann von einer Alpla Produktion in Gitterboxen zur Weiterverarbeitung hier angeliefert wird.“ In einer Gitterbox sind circa 10.000 Preforms, also das Äquivalent zu 10.000 Flaschen. „Wir bekommen 78 Gitterboxen auf den LKW, eine sehr ressourcenschonende Logistik“. Werner & Mertz produziert in Mainz ca. 135 Millionen Flaschen im Jahr. Die Preforms werden vereinzelt und zur Blasmaschine transportiert. Der Transport von Preforms und Flaschen läuft automatisiert. 20 Transportbänder auf fünf Linien mit insgesamt 225 Laufmetern sorgen für eine optimierte Logistik. In der Maschine werden die Preforms mittels Infrarotstrahlung bis auf rund 90 – 120 Grad aufgewärmt, so dass sie eine formbare Konsistenz bekommen. „Ein wenig hängt dies auch von der Wandstärke ab,“ gibt Alexander Schau zu bedenken. „Je dicker diese ist, desto mehr muss ich heizen. Zudem spielt dann auch das Material eine Rolle. Heizen mit Infrarot heißt also Strahlungswärme, die vom Kunststoff absorbiert wird. Im Gegensatz zu anderen Heizmethoden ist diese sehr effizient, da es das Material direkt erhitzt, anstatt die umgebende Luft zuerst zu erhitzen. Diese Wärme erweicht den Kunststoff und erleichtert es, in die gewünschte Form zu blasen. Bei einen kristallklaren Preform, zum Beispiel einem Virgin Preform, geht viel von der Strahlung verloren, da die Strahlung einfach durchgeht. Und an dieser Stelle kommt uns der Rezyklatanteil zugute. Der ist schon eher dunkel. Also dieses Dunkle kommt uns zugute, weil das die Strahlung sozusagen aufhält. Und damit bleibt die Strahlungswärme im Preform und kann sich besser entfalten. Das heißt also, am Ende des Tages sparen wir sogar Energiekosten aufgrund der Rezyklat-Preforms und weil die Infrarotheizung einfach effizienter ist. Zudem macht es den Herstellungsprozess auch energieeffizienter.“ In diesem Moment stellt sich die Frage, wie gelingt, es eine klare durchsichtige Flasche zu formen, wenn mein Ausgangs-Preform doch so dunkel ist? „Natürlich, als Experte und als Geübter sieht man einen Unterschied zwischen einer Virgin Plastikflasche und einer Flasche aus Rezyklat,“ erklärt Schau, „Aber was wir in Zusammenarbeit mit unserem Rezyklatlieferanten versuchen, ist ein Material zu entwickeln, welches so hell und transparent ist, dass dieser Unterschied kaum auffällt.“ Werner & Mertz verkauft Produkte in einem Marktsegment, wo Sauberkeit und Reinheit eines der Produktversprechen sind. Der Rezyklat Lieferant, also Alpla, hat ein Labor, um die Rezyklat-Qualität zu optimieren. „Aber auch in den Bereichen der Sortier-Technologie und in der Aufbereitungstechnologie, sprich der Flakewäsche und -sortierung ist viel investiert worden,“ erklärt Schau. “Das alles hat dazu geführt, dass wir den Anteil aus dem Gelben Sack jetzt auf 100 Prozent steigern konnten. 2014 haben wir mit 20 Prozent Rezyklat aus dem Gelben Sack angefangen. Mit der damaligen Qualität wäre das, was man heute im Regal sieht, nicht möglich gewesen. Natürlich auch, weil die Qualität zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vorhanden war. Wir stellen uns bei der Entwicklung unserer Produkte immer die Frage: Wie weit können wir gehen in Bezug auf Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft – ohne dass unsere Konsument*innen auf etwas verzichten müssen? “ schließt Schau an. „Natürlich wäre auch der Preis massiv in die Höhe gegangen, wenn wir damals 100 Prozent Rezyklat aus dem Gelben Sack verwendet hätten.“
Die Entwicklung im Blick
Dabei hatte man immer ein Auge auf die Entwicklung der Technologien. Das hatte einen enormen Anteil, dass die Qualität besser wurde. Natürlich hat auch der höhere Automatisierungsgrad dazu geführt, dass das Rezyklat auch wieder ein Stück günstiger wurde. Und auf die Art und Weise konnte Werner & Mertz den Rezyklat-Anteil steigern, ohne das Produkt massiv zu verteuern. „Und das sind genau die Aspekte, die man dann in der Gesamtentwicklung mit den Lieferanten betreiben muss,“ erklärt Alexander Schau. Ähnlich ist es mit dem Lizensierungsgeschäft, das man damals mit dem Grünen Punkt startete. Die Verpackungsmenge, die Werner & Mertz in Verkehr brachte, wurde lizenziert, und im Gegenzug dazu hat sich der Lizenzgeber verpflichtet, diese Mengen in die Verwertung zu bringen und den Kreislauf an der Stelle auch zu schließen. „Natürlich ist es so, dass das Lizensierungsgeschäft ein wenig volatil ist,“ klärt Schau auf. „Mal kann der eine oder andere bessere Konditionen und höhere Qualität anbieten und von daher kam es dann ab und an zu einem Wechsel. Heute arbeiten wir mit PreZero zusammen. PreZero liefert die Rezyklate als Granulat zur Weiterverarbeitung an Alpla.“ Mittlerweile hat der Umweltdienstleister seine eigene Recyclingsparte mit einigen Recyclingwerken für Polyolefine.
Alles aufeinander abgestimmt
Grundsätzlich hat die Produktionsanlage bei Werner & Mertz eine gewisse Nennleistung, die sie erreichen soll. Natürlich sind die einzelnen Komponenten der Anlage aufeinander abgestimmt. Zu Beginn steht der der Abfüller, je weiter hinten man in der Anlage kommt, desto schneller wird die jeweilige Anlagenkomponente. „Damit habe wir immer die Möglichkeit, die Produkte rauszufahren und keinen Stau zu produzieren. Um einen reibungslosen Ablauf zu sichern, haben Abfüller und Verschliesser jeweils eine andere Höchstkapazität. Der Verschliesser ist auf eine größere Stückzahl ausgelegt, damit immer zügig wegproduziert werden kann. In der größten Recyclat-Flaschen-Fertigung gibt es eine sogenannte In-Prozess-Kontrolle. Das heißt, einmal in der Stunde wird durch das Linienpersonal ein Karton Fertigware vom Band entnommen und auf unterschiedlichste Kriterien hin überprüft. Durch diese engmaschige Kontrolle wird der hohe Qualitätsanspruch nachgehalten und eine mögliche Fehlerquote gering. Für die Preforms gibt es ebenfalls eine Vorprüfung, die im herstellenden Werk gemacht wird. Die Preforms erhalten ein sog. Certificate of Analysis, wo alle typischen Kennwerte draufstehen, wie etwa Farbe, Viskosität, also der IV, und noch andere technische Eigenschaften. „Was für uns wichtig ist, ist die Farbe,“ betont Schau, „Also einerseits die sogenannten LAB-Werte und andererseits die Trübung. Ist der Preform und damit verbunden auch die spätere Flasche transparent genug, damit die Rezeptur gut zu sehen und die Rezepturfarbe nicht beeinflusst wird. Das sind Dinge, die wir gemeinsam mit unseren Lieferanten diskutieren und spezifizieren, um sicherzustellen, dass keine Qualität angeliefert wird, die wir hinterher ablehnen müssen.“
Wie wird es weitergehen?
Mit seiner Recyclat-Initiative hat der Öko-Pionier hundertmillionenfach die reelle, skalierbare Machbarkeit seines Ansatzes bewiesen. Was wird wohl als nächstes kommen? „Dank jahrelangen Entwicklung mit unseren Partnern kann man nun davon sprechen, dass moderne Recyclate heute als „Drop-in-Lösungen“ gelten. Das heißt, sie können ohne größere Modifikationen an Anlagen zur Substitution von Neuplastik eingesetzt werden“, teilt Alexander Schau mit. „In der Abteilung Verpackungsentwicklung wird es uns natürlich nicht langweilig. Zu Beginn hatten wir uns auf die großen Formate konzentriert, also Formate, die sehr auflagenstark sind. Jetzt muss man sich natürlich auch um die Themen kümmern, die sich vielleicht ein bisschen mehr in der Nische befinden. Wir haben ja noch genügend Produkte. Im nächsten Schritt treiben wir nun die technologische Entwicklung der Verpackungen aus PP und LDPE weiter voran,“ schließt Schau.

