Ingede-Symposium 2025
Heimat für Verbundverpackungen
Wie passt die faserbasierte Verbundverpackung in die PPWR? Dies war eines der heftig diskutierten Themen des 37. Ingede-Symposiums in München. Auch neue Technologien im Bereich Papierrecycling und Deinking standen im Fokus.
Bild: Kim Schneider/Adobe Stock
Ziel der Ingede (Internationale Forschungsgemeinschaft Deinking-Technik e. V.) ist es, die Verwertung von Altpapier zu fördern und einen nachhaltigen Papierkreislauf entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu ermöglichen: dieser reicht von der Qualität der Sammlung und Sortierung über den Recyclingprozess, die Wiederverwertbarkeit bis hin zum recyclinggerechten Design papierbasierter Produkte. Der Verein sieht sich als die Stimme der Papierrecyclingindustrie, insbesondere in technischen Ausschüssen, in (inter)nationalen Regulierungs- und Normungsorganisationen aber auch in der Öffentlichkeit. Von ihr definierte Industriestandards für alle Bereiche des Papierrecyclings sind allgemein akzeptiert. Mit diesen eigenen Ansprüchen wird die Ingede zum Ansprechpartner für alle Teilnehmer der Wertschöpfungskette von allen faserbasierten Verpackungen, was sowohl die klassische Papierverpackung (mit mindestens 95 Prozent Faseranteil) als auch die Verbundverpackung (mit weniger als 95 Prozent Faseranteil) explizit miteinschließt. Letztere, oft mit großem Kunststoffanteil ausgestattet, findet sich nicht zuletzt seit Einführung des Verpackungsgesetzes 2019 zu immer größeren Anteilen auch im Altpapier.
Position zu PPWR beziehen
Mit der Ingede hatte die faserbasierte Verpackung nun endlich eine Heimat gefunden, denn keiner der bisherigen Verpackungs-, Material-, Folien- oder Herstellerverbände fühlte sich so richtig zuständig für diese Art von Packmittel aus verschiedenen Materialien. In dieser Rolle muss sich die Ingede nun auch der PPWR (Packaging and Packaging Waste Regulation) stellen und Position beziehen: Soll einer faserbasierten (Verbund)Verpackung bei offiziell schlechter Recyclingfähigkeit bald die Verkehrsfähigkeit entzogen werden? Das Thema rund um die Recyclingfähigkeit und dabei anfallende Störstoffe in der Faseraufbereitung betrifft die ganze Wertschöpfungskette. Somit war es nicht überraschend, dass diese durch rund 140 Teilnehmende online und vor Ort vertreten war: von großen Markenartiklern und Packmittelherstellern über Universitäten, Forschungseinrichtungen, spezialisierte Labore, Papierfabriken, Entsorger, Sortierer und Duale Systeme bis hin zu Behörden wie dem UBA und der Zentrale Stelle Verpackungsregister. Über faserbasierte Verpackungen, von ihrer Entwicklung bis zu ihrer Entsorgung, wurde teilweise heftig diskutiert. Zwei Kernproblematiken wurden identifiziert.
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Kernproblematik 1
Studien belegen, dass 50 Prozent aller faserbasierten Verbundverpackungen (außer Getränkekartons) bereits in der Blauen Tonne (Altpapier) entsorgt werden. Der Vortrag von Axel Subklew von der Initiative „Mülltrennung wirkt“ zeigte dabei auf, dass nicht klar definiert sei, was in die Blaue Tonne gehöre und was nicht. Zudem treffe, unabhängig von jeder Definition, der Verbraucher sowieso seine eigene Entscheidung zum Entsorgungsweg. Die Hoffnung, 83 Millionen Bürger mit kleinen Trennhinweisen dazu zu bringen, im Sinne der Gesetzgebung richtig zu entsorgen, sei wohl eher realitätsfremd, so Subklew. Somit sei es ratsam, sich der Realität zu stellen und sich als Papierrecycler auf die sich verändernde Papierstromzusammensetzung einzustellen. Der kontinuierliche Rückgang von hochwertigen, grafischen Papieren (beispielsweise Zeitschriften, Zeitungen etc.) und die Zunahme von Verpackungspapieren verändern das Zerfaserungsverhalten und den Anteil an Störstoffen. Die Zunahme an Verbundverpackungen und Barriereverpackungen sorgen unter den Recyclern für Bauchschmerzen, da bisherige Prozessanpassungen weiter optimiert werden müssen. Die Qualität der Altpapiersammelware sinkt, während die Kosten für das Papierrecycling steigen. Die Verpackungspapiere und 50 Prozent der Verbundverpackungen werden derzeit durch die Papierrecyclingindustrie recycelt. Die durch den Inverkehrbringer bezahlten Lizenz- beziehungsweise Entsorgungsgebühren über ein Duales System landen jedoch nicht beim Papierrecycler. Die Ursache hierfür liegt allerdings im Kreislaufwirtschaftsgesetz. Die Vorträge und Diskussionen im Symposium führten am Ende zu einer gemeinsamen Auffassung: eine Reform ist unumgänglich!
Kernproblematik 2
Eine faserbasierte Verpackung ist dann gut zu recyceln, wenn die Fasern sich im Pulper möglichst schnell zerfasern, die benutze Druckfarbe „deinkbar“ ist und sich alle Nicht-Faserstoffanteile (Fremdstoffe wie etwa Kunststoffkomponenten) abtrennen lassen und somit in der späteren Papierfertigung keine Probleme verursachen können. Schon 2024 wurde in einem Vortrag die Problematik der „Stickies“ beschrieben: Kunststoff- oder Kleberreste, die im Recycling nicht herausgefiltert werden können und in der Papierfertigung unter anderem zu Papierbahnabrissen führen können. Die grundsätzliche Auffassung, dass eine „Papierverpackung“ mit einem Kunststoffanteil von unter 5 Prozent besser zu recyclen sei als eine Verbundverpackung mit beispielsweise 15 Prozent Nicht-Papieranteil, ist aus technischer Sicht falsch. Es hängt viel mehr von der Zusammensetzung und der Sortierbarkeit der papierfremden Bestandteile ab. Die Diskussionen rund um das Thema dieser sogenannten 95/5-Regelung zeigen deutlich, dass die Lenkungswirkung des Verpackungsgesetztes in die falsche Richtung ging: Anstatt gut recyclingfähige Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen zu fördern, bewirken geringere Lizenzgebühren für „Papier“ (< 5 Prozent Fremdstoffanteil) im Gegensatz zu „Sonstigen Verbunden“ (> 5 Prozent Fremdstoffanteil) mit höheren Lizenzgebühren, dass der Anteil an schlecht zu recycelnden Verpackungen steigt. Daraus ergeben sich zwei Aspekte: Zum einen ist damit zu rechnen, dass vermehrt solche „Sticky“ verursachenden Störstoffe in faserbasierten Verpackungen als Unverträglichkeiten definiert werden und damit die Verpackung als nicht recyclingfähig gilt. Wie bereits beschrieben kann das laut PPWR zu einem Verkehrsverbot führen. Zum anderen ergibt sich die klare Forderung, die Grundlage für die Lizenzgebühren auf die Beurteilung der Recyclingfähigkeit zu legen und nicht mehr auf die bloße Materialzusammensetzung. Die technischen Recyclingfähigkeitsanforderungen sind klar nach der CEPI-Methode 10/2022 (V2) definiert und könnten damit die 95/5-Regelung ablösen. Idealerweise führt man neben den „Papieren“ eine weitere Lizenzierungskategorie ein: die „gut zu recycelnden Verbundverpackungen“, die über die Höhe der Lizenzgebühr den Entsorgungsweg über die Blaue Tonne berücksichtigt. Dass diese Gebühren dabei auch beim Papierrecycler ankommen sollten, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Die faserbasierte Verbundverpackung ist eine der am häufigsten diskutierten und vielleicht missverstandenen Verpackungen überhaupt. Getrieben vom allgemeinen positiven Image von Papier aus Sicht des Verbrauchers und damit auch Liebling der Marketers im Ringen um mehr Nachhaltigkeit beziehungsweise Marktanteile, wird sie ihren Siegeszug weiter fortsetzen. Wenn sie eine gute Recyclingfähigkeit mitbringt, spricht zumindest aus Sicht der Papierindustrie nichts dagegen. Allerdings müssen die gesetzlichen und damit auch die finanziellen Rahmenbedingungen dringend angepasst werden. Da die Ingede sich hier als eine treibende Institution sieht, können wir noch einiges erwarten. Auch das Thema der recyclingstörenden Druckfarben und Druckverfahren soll unter die Lupe genommen werden – das verspricht weitere heiße Diskussionen im nächsten Symposium 2026. Es bleibt spannend und eines ist sicher: Wir von Tilisco, die wir unsere Kunden beraten, wie eine D4R-gerechte Verpackung aussehen sollte und was es strategisch zu berücksichtigen gilt, werden im nächsten Jahr definitiv wieder mit dabei sein.
Autor: Till Isensee, Geschäftsführer Tilisco