Innovationen beim Verpackungsstahl

Modern, digital und nachhaltig

Unternehmen stehen vor der Herausforderung, effizienter und ressourcen­schonender zu produzieren. Nur so ­können Verpackungs­hersteller sowohl den wachsenden regulato­rischen Anforderungen als auch dem zunehmen­den Umwelt­bewusstsein der Verbraucher gerecht werden. Im Interview gibt Oliver Hoffmann, CTO der Thyssenkrupp Rasselstein, Einblicke in die ganzheitliche Nachhaltigkeits-Strategie von Deutschlands einzigem Weiß­blech­hersteller.

Bilder: Thyssenkrupp Rasselstein

­Herr Hoffmann, mit welchem Nachhaltigkeitszielbild arbeitet Thyssenkrupp Rasselstein, und welche Rolle spielen Innovation und Effizienz bei Produktions­prozessen, um dieses Ziel zu erreichen?

Oliver Hoffmann: Unser Nachhaltigkeitsziel ist ganz­heitlich. Wir stellen sicher, dass durch eine zunehmend klimafreundliche und effizientere Produktion, durch konsequenten Fokus auf Kreislauf­wirtschaft und höchste Standards im Arbeits- und Gesundheitsschutz sowohl Umwelt, Kunden und Mitarbeiter als auch Verbraucher von unserem Verpackungsstahl profitieren. Um unser ganzheitliches Nachhaltigkeitsziel zu realisieren, sind kontinuierliche Modernisierungen unserer Technologien und Produktionsprozesse unabdingbar. Nur so können wir eine stetig steigende ökonomische, ökologische und sozialverträgliche Performance für unsere Kunden und uns erzielen. Zu diesem Zweck betrachten wir Verpackungsstahl und Produkte wie die Lebensmittel- und Aerosoldose immer aus einer ganzheitlichen Perspektive. Mithilfe von Lebenszyklus-Analysen (LCA) verfolgen wir den ­gesamten Kreislauf, von der Gewinnung der Primär-Ressourcen bis zur Wiederverwertung unseres Verpackungsstahls in einem neuen Stahlprodukt.

Verpackungshersteller streben nach Effizienzgewinnen. In welchen Bereichen setzen Sie gezielt auf Innovationen, um diese zu realisieren?

Hoffmann: Effizienzgewinne lassen sich ganz kon­kret durch das Verbessern unserer Weißblech-Produkte realisieren. Mit der Entwicklung von Rasselstein Solid­flex haben wir eine völlig neue Produktfamilie geschaf­fen, die es ermöglicht, Verpackungsstahl mit ­weniger ­Ressourcen bei gleichbleibender Performance herzustellen. Dank dieser Technologie können wir das Material stabiler und gleichzeitig umformfähiger machen, wodurch dünnere und leichtere Lebensmittel- und Aerosoldosen mög­lich sind. Weniger Material­einsatz bei gleichbleibender Stabilität bedeutet für uns einen entscheidenden Effizienzgewinn, der nicht nur Ressourcen schont, son­­dern auch den CO₂-Ausstoß reduziert. Wir ermöglichen unseren Kunden hierbei deutliche Einsparungen ihrer Scope 3-Emissionen.

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Gibt es darüber hinaus konkrete Entwicklungen im Prozess-Bereich, an denen derzeit geforscht wird?

Hoffmann: Ein besonders spannendes, EU-geför­dertes Projekt zur Prozessinnovation ist Roll-Oil-Free. Dabei untersuchen wir, ob es langfristig eine Alternative zum herkömmlichen Walzöl geben könnte. Unser Ziel ist es, einen Stoff zu finden, der idealerweise gleichzeitig eine reinigende Wirkung besitzt. Das könnte die nach­folgende Entfettung vereinfachen oder sogar überflüssig machen und wäre ein viel­versprechen­der Ansatz im Sinne der Nachhaltigkeit.

In den letzten Jahren setzen Sie verstärkt auf digitale Lösungen. Wie hängen Effizienz und Digitalisierung zusammen?

Hoffmann: Thyssenkrupp Rasselstein ­digitalisiert zunehmend seine Prozesse und entwickelt eigene An­wendungen. Um die Digitalisierung voranzutreiben, wurde vor etwa zwei Jahren der Bereich „Digital Solutions“ geschaffen. Dort entwickeln Experten innovative IT-Lösun­gen, die Kunden unterstützen und Lieferketten, Produkte sowie Produktionsprozesse effizienter und transparenter gestalten. Wir zeigen, dass die Zukunft des Verpackungsstahls modern, digital und nachhaltig ist. Dank digitaler Tools können wir schon vor dem Entstehen des eigentlichen Produkts Potenziale zur Ressourcenschonung und Effizienzsteigerung aufzeigen. Mittels der Finite-Elemente-Methode (FEM) können Hersteller von Dosen die Umsetzbarkeit neuer Geometrien und Material­einsparungen bereits vor der praktischen Anwendung virtuell umfassend testen. Die durch FEM unterstützte Entwicklung neuer Verpackungsstahlgüten ermöglicht gezielte Dickenreduzierungen, wodurch nicht nur wertvolle Ressourcen eingespart, sondern auch CO₂-Emis­sionen beim Transport verringert werden können. Darüber hinaus eröffnet FEM zahlreiche Möglichkeiten für Produktneuheiten in der Verpackungsbranche. Her­steller können mutiger agieren und kreativere ­Lösungen entwickeln. Bei allen diesen Prozessen stehen wir un­seren Kunden beratend zur Seite, um gemeinsam die ­besten Anwendungen für nachhaltige und moderne Verpackungen zu entwickeln. Um diesen Prozess so schlank und komfortabel wie möglich zu halten, haben wir eine benutzerfreundliche Anwendung programmiert, die es unseren Kunden ermöglicht, im Gespräch mit der Kunden­beratung eine Dose auf einem Tablet ­digital zu modellie­ren und die gewünschten Material­parameter mit ­weni­gen Klicks anzupassen. So lassen sich in kürzester Zeit die optima­le Geometrie und Materialdicke abhängig von der je­weiligen Verpackungsstahlgüte simulieren.

Eingangs nannten Sie ganzheitliche Nachhaltigkeitsziele, die auch den Gesundheitsschutz umfassen. Was bedeutet das genau?

Hoffmann: Gesundheitsschutz bedeutet für uns, sowohl das Wohlergehen unserer Mitarbeitenden als auch die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbrau­cher immer im Blick zu haben. Wir agieren daher pro-­aktiv, um regulatorische Vorgaben zeitnah ­umzusetzen. Im Bereich der Produktanwendungen stehen ­weitreichende regulatorische Änderungen bevor. So ist seit Januar 2025 der Einsatz von BPA-haltigen Innen- und Außenbeschichtungen von Lebensmittel-Verpackungen aus Weißblech in der EU verboten. Bis 20. Juli 2026 gilt eine Übergangszeit für Innenbeschichtungen in den Weißblech-Verpackungen der meisten Lebensmittel. Für Innenbeschichtungen in den Weißblechverpackungen von Obst, Gemüse und Fisch sowie für Außenbeschichtungen endet diese Übergangsfrist am 20. Januar 2028. Das bedeutet, dass Hersteller von Lebensmittel-Dosen jetzt aktiv werden müssen, um eine reibungslose Umstellung zu gewähr­leisten. Wir wissen, dass ein erfolgreiches Umstellen weit über den bloßen Austausch eines Lacks hinausgeht. Die gesamte Verpackung muss perfekt aufeinander abge­stimmt sein. Deshalb arbeiten wir eng mit Lackher­stellern und unseren Kunden zusammen, um sicherzu­stellen, dass Verbraucher am Ende ein einwandfreies und geprüftes Produkt erhalten. Ein entscheidender Vorteil für unsere Kunden: die chrom­freie Passivierung Rasselstein CFPA ist für den Einsatz der neuen BPA-NI-Lacke geeignet. Sie bietet eine höhere Oberflächenenergie als chromhaltige Passivierungen, wo­durch die Benetzbarkeit verbessert wird.

Mithilfe von Lebens­zyklus-Analysen (LCA) verfolgen wir den gesamten Kreislauf, von der Gewinnung der Primär-Ressourcen bis zur Wiederver­wertung unseres Verpackungsstahls.
Oliver Hoffmann CTO Thyssenkrupp Rasselstein

Regulierung kann auch ein Innovationstreiber sein. Wie können Hersteller auf bevorstehende regulatorische Vorgaben reagieren?

Hoffmann: Die Umstellung auf BPA-NI sollte nicht isoliert betrachtet werden. Da parallel auch chromba­sier­te Passivierungen eingeschränkt wurden, empfehlt es sich, beides in einem Schritt anzugehen. CFPA ist eine zukunftssichere Lösung, die Herstellern langfristige Pla­nungssicherheit gibt. Darüber hinaus ist es wichtig zu beachten, dass BPA nicht nur in der EU zunehmend regu­liert wird. In Ländern wie Kanada, China, Südkorea sowie in mehreren US-Bundesstaaten (zum Beispiel ­Kalifornien) und Teilen Südamerikas gibt es bereits Verbote für BPA in bestimmten Lebensmittel-Verpackungen, insbesondere für Babynahrung. Wer international tätig ist, sollte also nicht nur die EU-Vorgaben im Blick behalten, sondern auch die globalen Entwicklungen beachten. Momentan fahren wir noch zweigleisig, wir bieten klas­sische BPA-haltige Lacke an, verwenden jedoch zukünf­tig ausschließlich BPA-NI-Lösungen für Weißblech für Lebensmittel-Verpackungen. Um die Energieeffizienz zu verbessern, haben wir Anfang dieses Jahres eine mo­derne Tafellackieranlage in Betrieb genommen, die bis zu 7.000 Tafeln pro Stunde lackiert. Im Lackierwerk werden im Auftrag des Kunden Grundlacke, Decklacke und pigmentierte Lacke im Walzenauftragsverfahren in der gewünschten Lackauflage appliziert. Hersteller von Lebens­mittel-Verpackungen, die frühzeitig auf BPA-NI-Lacke umsteigen, profitieren nicht nur von regulatori­scher Sicherheit, sondern stärken auch ihre Wettbewerbs­fähigkeit, indem sie nachhaltige, zukunftssichere Verpackungslösungen anbieten. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um aktiv zu werden.