Software beim Engineering
Automatisierung im Maschinenbau
Bild: Rommelag
Bei der patentierten Blow-Fill-Seal (BFS)-Technologie von Rommelag handelt es sich um eine Methode, um Flaschen und Ampullen hauptsächlich in der Pharmaindustrie, aber auch für Kosmetik und Lebensmittel mit flüssigen bis halbfesten Produkten zu befüllen.
Auf Knopfdruck zum IEC-Code: Rommelag entwickelt neue Maschinengeneration ihrer patentierten BFS-Technologie auf modellbasiertem SPS-Framework – effizientere Prozesse dank integrierter Unit Tests und Simulationsmöglichkeiten.
In der Softwarebranche sind modellbasierte Konzepte längst zum State-of-the-Art avanciert. Dies ist auch kein Wunder, ermöglichen sie doch die Automatisierung vieler Entwicklungsaufgaben und erleichtern zugleich die Zusammenarbeit der beteiligten Developer sowie die Fehlersuche am laufenden Projekt. Doch ausgerechnet in der Industrie, wo schnelle technologische Fortschritte den Takt angeben, herrschen oftmals noch veraltete Ansätze vor. So auch bis vor kurzem bei Rommelag Engineering. Im Rahmen der Transformation vom Projekt- zum Produktunternehmen, das anstatt Sonderanlagen zukünftig standardisierte Maschinen mit einer flexibel anpassbaren, modularen Software anbietet, nahm der Spezialist für Abfüll- und Verpackungsanlagen 2020 Kontakt zu AVM Engineering auf. Diese implementierten das modellbasierte Framework UP für die SPS-Entwicklung der neuen BFS-Maschinengeneration. Für Rommelag bedeutete die Umstellung einen kompletten Neuanfang im Softwarebereich, der effizientere, GMP-konforme Prozesse sowie integrierte Unit Tests und Simulationen in einer Entwicklungsumgebung erlaubt. Bereits im Juli 2024 wurde die erste, auf der neuen Plattform entwickelte Anlage ausgeliefert. „Die Automatisierungsbranche ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl von Anbietern“, weiß Frédéric Abric, Verkaufsleiter bei AVM Engineering. „Dabei treffen unterschiedliche Programmiersprachen aufeinander – und darin liegt die Herausforderung, vor der auch Rommelag stand.“ Bis vor kurzem hatte sich der Hersteller auf Sondermaschinen spezialisiert, die nur zu einem geringen Grad standardisiert waren und softwareseitig dementsprechend einen hohen Pflegeaufwand generierten. Mit der Umsetzung der patentierten Blow-Fill-Seal (BFS)-Technologie in einer standardisierten Anlagenserie sollte sich dies jedoch ändern. Dabei handelt es sich um eine Methode, um Flaschen und Ampullen hauptsächlich in der Pharmaindustrie, aber auch für Kosmetik und Lebensmittel mit flüssigen bis halbfesten Produkten zu befüllen, wobei die Bruchgefahr der Behälter sowie der Platzbedarf der Maschine im Vergleich zu herkömmlichen Abfüllanlagen für Glasbehälter signifikant reduziert werden. Da das verwendete Polyethylen- oder Polypropylengranulat vollautomatisch in einem Schritt im Extruder der BFS-Anlage aufgeschmolzen, in Form gebracht, befüllt und sicher verschlossen wird, läuft der gesamte Prozess aseptisch ab und dauert nur wenige Sekunden.
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Neugestaltung der SPS- und HMI-Entwicklung
Auf Basis der effizienten BFS-Technologie will Rommelag nun ihre bisherigen, hochspezialisierten bottelpack-Anlagen sukzessive durch eine modular aufgebaute BFS-Maschinengeneration ersetzen. „Bis dahin kannten wir in erster Linie konventionelle Entwicklungsprozesse, bei denen besondere Kundenwünsche für die jeweiligen Anlagen eigens umgesetzt und SPS-Systeme immer wieder neu angepasst werden mussten“, berichtet Thomas Unzeitig, Manager Software Engineering bei Rommelag. „Mit den neuen BFS-Anlagen haben wir nun einen großen Schritt vom Projekt hin zum Produktunternehmen gemacht, das standardisierte Maschinen mit flexibel anpassbaren Softwaremodulen anbietet – und dabei die agile Arbeitsweise in einem standortübergreifenden Team einführt.“ Die neue Maschinengeneration markiert dabei einen grundlegenden Neuanfang im Softwarebereich, der den Automatisierungsgrad erhöht und damit auch die Workflows der Entwicklungsabteilung maßgeblich verändert und modernisiert. Um diese ambitionierten Ziele umzusetzen, wandte sich der Maschinenbauer 2020 an den Automatisierungsexperten AVM Engineering. Dessen Framework UP bringt die modellbasierte Entwicklungsumgebung, die aufgrund ihrer Flexibilität und effizienten Arbeitsmethodik in der Softwarebranche bereits seit Jahren dominiert, nun auch in den bisher eher konservativ orientierten Maschinenbau. „Die Umstellung auf moderne Entwicklungsprozesse ist ein zentrales Managementthema in der Industrie, um mit den schnellen technologischen Fortschritten und den sich ständig ändernden Marktanforderungen Schritt zu halten“, so Abric. „In diesem Zusammenhang basiert die Idee für UP auf der Erkenntnis, dass es effizienter ist, die Logik für eine Maschine zunächst auf einer höheren Abstraktionsebene zu modellieren und daraus den Code für die verschiedenen SPS- und HMI-Systeme zu generieren.“
Objektorientierung und Visualisierung
Aufgrund der Standardisierung der Produktpalette mit der neuen BFS-Plattform legt Rommelag großen Wert darauf, dass auch einzelne Elemente der Software flexibel konfigurierbar und damit wiederverwendbar sind. So werden beispielsweise sämtliche Zylinder einer BFS-Anlage mit Instanzen desselben Controllers angesteuert. Für diese Anwendungsfälle lassen sich mit UP Eigenschaften, Methoden und Verhaltensweisen objektorientiert vererben. Auf diese Weise können einzelne Funktionseinheiten einfach weiterentwickelt und neue Varianten bestehender Controller für unterschiedliche Funktionalitäten abgeleitet werden, ohne diese komplett neu programmieren zu müssen. „Eine wichtige Rolle spielen hierbei die grafischen Editoren“, erläutert Abric. „So lassen sich die Module und Vererbungshierarchien visuell darstellen und modellieren – und die Entwickler behalten einfacher den Überblick über die komplexen Abhängigkeiten.“ Eine durchgängig hohe Codequalität erreicht Rommelag dabei über das integrierte Unit Testing und die Simulationen des Moduls UPact. Durch das Framework und die Kombination aus grafischen und textbasierten Editoren gibt UP einen klar verständlichen Rahmen vor, der nicht nur die massive Softwareumstellung für Rommelag erleichterte, sondern dank der neuen agilen Arbeitsprozesse auch bei jedem weiteren Projekt einen zügigen Start in die Umsetzung ermöglicht. Neue Mitarbeiter können sich ebenfalls rasch in der modellbasierten Entwicklungsumgebung zurechtfinden, wie Unzeitig berichtet: „Wir starten in der Regel mit einer Drei-Tages-Schulung bei AVM, darauf folgt dann die interne Einarbeitung. Das lief bisher immer sehr schnell und reibungslos ab.“ Erste Ergebnisse aus den grundlegend veränderten Entwicklungsprozessen konnte Rommelag bereits verzeichnen: Im Juli 2024 wurde die erste BFS-Maschine, die auf der UP-Plattform konstruiert wurde, an einen Kunden ausgeliefert. „Die modellbasierte Entwicklungsumgebung bietet uns alle Tools, um unsere neue, modulare Maschinengeneration ganzheitlich und effizient zu entwickeln und zu testen. Das zeigt sich nicht nur an den Resultaten, sondern vor allem im Alltagsgeschäft: Unsere Entwickler sind zufrieden und haben Spaß an der Arbeit“, resümiert Unzeitig.

