Digital Product Passport

Digitaler Reisepass für Verpackungen

Bilder: Domino

Die Verpackungsindustrie steht vor einer doppelten Heraus­forderung: Verbraucher fordern nachhaltige Lösungen, ­während immer strengere Vorschriften eine ressourceneffiziente Pro­duktion verlangen. Wie können Unternehmen diese Erwartungen ­erfüllen und zugleich Transparenz über die gesamte Lieferkette schaffen? Der Digital Product Passport (DPP) könnte die ­Antwort sein. In einem Projekt mit der Plattform R-Cycle und dem ­Verpackungsverarbeiter Korozo Group hat Henkel gezeigt, wie das in der Praxis aussehen kann.

Der Druck auf die Branche, umweltverträgliche Verpackungen zu entwickeln, steigt. Gleichzeitig erfordern globale Lieferketten eine höhere ­Nachvollziehbarkeit, um Herkunft, Verarbeitung und End-of-Life von Materia­lien transparent zu machen. Ein zentraler Trend ist dabei die Kreislaufwirtschaft: Verpackungen sollen nicht nur effizient Produziert, son­dern nach Gebrauch in den Materialkreislauf zurück­geführt werden. Dafür müssen Rohstoffe recycelbar sein, möglichst aus nachhaltigen Quellen stammen und in ein Design überführt werden, das verschiedene End-of-Life-Szenarien berücksichtigt. Darüber hinaus muss es klare Regeln für die Entsorgung geben. Hierfür werden digitale Lösungen immer wichtiger.

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Ein Pass für jede Verpackung

Vor diesem Hintergrund rückt der Digital Product Pass­port in den Fokus. Er erfasst alle relevanten Informatio­nen über Zusammensetzung, Lebenszyklus und Nach­haltigkeit eines Produkts digital und macht sie zugänglich. Ab 2027 wird er – getrieben durch die Ecodesign for Sustainable Products Regulation (ESPR) der EU – in vielen Branchen verpflichtend. Der digitale Datensatz enthält Angaben zu Materialzusammensetzung, tech­nischen Spezifikationen und Recyclingfähigkeit. Jedes Produkt erhält eine eindeutige Identifikation, meist über QR-Code oder RFID-Tag, die eine Rückverfolgung entlang der Wertschöpfungskette ermögli­chen. Entscheidend ist dabei die Datenqualität: Unterneh­men müssen Informationen standardisiert bereitstellen, damit sie für alle Akteure nutzbar sind.

Vom Datenpass zum Recycling-Booster

Gerade in der Verpackungsin­dustrie erfüllt der DPP mehr als nur regulatorische Vorga­ben. Er erleichtert Recy­cling­prozesse und verbessert die Nachhaltigkeit von Verpackun­gen. „Der DPP ermöglicht die lückenlose ­Rückverfolgbarkeit von Verpackungen ent­lang der Lieferkette, schafft ­Transparenz und erleichtert die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben“, erklärt Philippe Blank, Head of Circu­lar Economy bei Henkel. Für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft gilt: Schon in der Beschaffung müssen recycelbare und möglichst recycel­te Rohstoffe eingeplant ­werden. Auf dieser Basis entsteht ein Verpackungsdesign, das unterschiedliche End-of-Life-Sze­narien berücksichtigt. Ziel ist es, Materialien zurückzugewinnen und Primärrohstoffe zu er­setzen. „Die Reduzierung des Rohstoffeinsatzes und der be­nötigten Ressourcen sind entscheidend für eine nachhaltige Zukunft,“ erzählt Philippe Blank. Detaillierte Materialdaten tragen dazu bei, Sortierung und Recycling zu er­leichtern und die Recyclingquote zu erhöhen.

DPP im Härtetest – Klebstoff als Prüfstein

Henkel testet den Digital Product Passport in Zusam­menarbeit mit der Korozo Group und R-Cycle, einer auf offenen Standards basierenden Plattform für Rückverfolgbarkeit. Dabei kommt der lösungsmittelfreie Klebstoff Loctite Liofol zum Einsatz. Er eignet sich für die Kaschierung von Standbodenbeuteln, ist chemisch und thermisch beständig und hält auch aggressiven Füllgütern, Pasteurisierung sowie Hochgeschwindigkeitslinien mit hohen Siegeltemperaturen stand. Im Praxis­beispiel, erprobt mit einem Endprodukt von ­Henkel Consumer Brands, ist jede Verpackung mit einem QR-Code versehen, der direkt mit dem R-Cycle-DPP verknüpft ist. So können technische Daten, Sicherheitsinformationen und Umweltaspekte jederzeit abgerufen werden. Henkel nutzt dies, um die Rückverfolgbarkeit zu erweitern sowie die Recyclingfähigkeit und Ent­sorgung weiter zu optimieren.

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Anforderungen der ESPR erfüllt

„Die Anwendung von Henkel zeigt sehr gut, wie relevante Informationen zu den eingesetzten Verpackungskomponenten - in diesem Fall dem Klebstoff – im DPP erfasst und über den gesamten Produktlebenszyklus zur Verfügung gestellt werden können.“, so Dr. Benedikt Brenken, Leiter von R-Cycle. „Damit schaffen wir eine definierte Transparenz und einfache Rückverfolgbarkeit entlang der Wertschöpfungskette. Darin sehen wir einen entscheidenden Vorteil im Hinblick auf den stetig wachsenden Informationsbedarf.“ Darüber hinaus erfasst Henkel im DPP auch die Kohlen­stoffemissionen des Kaschierklebstoffs. Diese Daten sind wesentlich für die Anforderungen der ESPR und für die CO₂-Bilanzierung des gesamten Produktlebens­zyklus. Die erfassten Informationen ermöglichen es den Unternehmen am Ende des Lebenszyklus, die Verpackungen bei ihrer Ankunft in den Sortier- und Recyclingzentren ordnungs­gemäß zu entsorgen und somit einen positiven Beitrag zur Kreislaufwirtschaft und zu den Recyclingquoten zu leisten.

Wir sind auf dem besten Weg, jedem Kunden ein nachhaltiges Produkt anbieten zu können, das entweder aus nachhaltigen Quellen stammt oder ein hervorragendes Recyclingprofil aufweist.
Philippe Blank Head of Circular Economy Henkel

Nachhaltigkeit entsteht im Design – Transparenz durch Daten

„Wir sind auf dem besten Weg, jedem Kunden ein nachhaltiges Produkt anbieten zu können, das entweder aus nachhaltigen Quellen stammt oder ein hervorragendes Recyclingprofil aufweist“, erklärt Philippe Blank. Als Lieferant und Markeninhaber ist Henkel in der Lage, einen großen Teil der Wert­schöpfungskette abzude­cken. „80 Prozent des ökologischen Fußabdrucks eines Produkts werden in der Designphase festgelegt. Wir nutzen unser Wissen, um unsere Kunden frühzeitig zu beraten.“ Besonders wichtig ist dabei der Product Carbon Foot­print (PCF) einzelner Komponenten und ganzer Produk­te. Hier hat das Unternehmen umfangreiche Kapazitäten aufgebaut, um Einsparpotenziale zu identifizieren und verlässliche Daten für digitale Produktpässe und ­Berichtsanforderungen bereit­zustellen. Diese Daten sind besonders relevant im Hinblick auf die Recycling­fähigkeit von Verpackungen und die Verpflichtung, recy­­celte Inhaltsstoffe zu verwenden. „Wir orientieren uns an führenden Bewertungsmetho­den und Designrichtlinien und arbeiten aktiv an neuen Testmethoden“, ergänzt Phillippe Blank. Die Verpackungsindus­trie durchläuft derzeit einen tiefgrei­fenden Wandel, der zu erheblichen Materialverschie­bungen führt. Diese Veränderungen wirken sich auch auf die bestehenden Recyclingverfahren aus. Diese ­Lücken gilt es durch aktive Forschung und Entwicklung neuer Prüfmethoden zu schließen, um sich selbst und seine Kunden auf kommende gesetzliche Änderungen vorzubereiten.

Ausblick: Digitaler Pass als Schlüssel zum Kreislauf

Was Reisenden den Weg durch Grenzen erleichtert, könnte für Verpackungen das Tor in den Kreislauf öffnen: der digitale Produktpass. Mit ihm lassen sich Materialien eindeutig identifizieren, Rückverfolgbarkeit sicherstellen und Recyclingprozesse gezielt verbessern. Für die Verpackungsindustrie wird er damit zu einem Hebel, der Nachhaltigkeit, Marktchancen und neue digitale Geschäftsmodelle verbindet.