Bild: Milk

Food Packaging
Ästhetisch eingepackt, nachhaltig durchdacht
Die deutsche Design- und Innovationsagentur Milk ist spezialisiert auf Food Packaging und Branding. Am 1. März 2024 hat sie ihr erstes Büro in der Schweiz eröffnet. Mit der neuen Präsenz in Zürich will die Agentur die Nähe zur Schweizer Kundschaft verstärken. Das Zürcher Büro wird von Frederike Nier geleitet. packAKTUELL hat sie zum Gespräch getroffen.
Frau Nier, herzlich willkommen in der Schweizer Kreativlandschaft! Warum ist die Schweiz als Standort attraktiv für Ihre Agentur?
Frederike Nier: Durch die Projekte, die wir schon früher von Deutschland für die Schweiz realisieren durften, war es für uns der logische und richtige Schritt, hier auf lange Sicht einen Standort aufzubauen. Als ich dann aus privaten Gründen entschlossen habe, nach Zürich zu kommen, konnten wir das mit einer Standortgründung verbinden. Wir schätzen den hohen Anspruch der Schweizer Kunden an die Lebensmittelindustrie und das Design. Auch die Business-Ethik und die relative hohe Zahlungsbereitschaft macht die Schweizer Kundschaft zu angenehmen Partnern.
«Endverpackung» ist ja so ein Wort, das eher nach Bürokratie klingt als nach Kreativität. Wie treffen Sie da den Nerv der Zeit?
Nier: Das ist die Kunst unseres Geschäfts: Wir bewegen uns zwischen Bürokratie und Kreativität und müssen das Gleichgewicht finden. Dafür bewege ich mich weg vom Laptop, gehe raus in die reale Welt. So nehme ich Trends wahr; erfahre die Produkte. Wir dürfen nicht vergessen: Lebensmittel sind analoge Produkte, die im Optimalfall Emotionen hervor- rufen. Das wollen wir mit unseren Designs aber erreichen und da helfen die gesammelten 15 Jahre Erfahrungen der gesamten Agentur und unsere Spezialisierung auf den Lebensmittelbereich.
Anzeige
Heutige Verpackungslösungen sollen nachhaltig, schick und am besten noch «instagramable» sein. Wie bringen Sie diese Ansprüche unter einen Hut?
Nier: Bei Verpackungslösungen berücksichtigen wir drei Faktoren: Ästhetik, Funktion und Nachhaltigkeit. Letzteres bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Verpackung weniger «instagramable» sein muss. Nachhaltigkeit kann das Design auch positiv beeinflussen. Für uns als Designagentur hat aber die Ästhetik klar Priorität – die Verpackung muss sich an erster Stelle gut verkaufen.
Sie sagen, Ihr Ansatz verbindet Nachhaltigkeit mit Design. Was ist schwieriger: Kunden von nachhaltigen Lösungen zu überzeugen oder sie davon abzuhalten, jedem Greenwashing- Trend hinterherzujagen?
Nier: Heute will die Kundschaft beides: Nachhaltigkeit und Design. Greenwashing ist seit den strengeren EU-Richtlinien, die auch viele Schweizer Verpackungshersteller berücksichtigen müssen, weil sie in die EU exportieren, nicht mehr so einfach möglich. Als Agentur suchen wir gemeinsam mit unseren Kunden nach nachhaltigen Lösungen und beraten sie bei der richtigen Kommunikation, um Greenwashing zu vermeiden.
Hand aufs Herz: Gibt es Materialien, die als nachhaltig verkauft werden, bei denen Sie sagen würden: «Bloss nicht!»?
Nier: Ob ein Material nachhaltig ist oder nicht, kommt immer auf den Kontext an – insbesondere auf die Logistik und die Verwertungsinfrastruktur. Häufig meinen die Kunden beispielsweise, dass Glas besser als PET sei. Wenn ich aber ein Einwegglas durch die ganze Schweiz transportieren muss, weist es eine schlechtere CO2-Bilanz auf als ein PET-Flasche. Unsere Aufgabe ist es, das passende Material zum Kontext des Kunden auszuwählen.
Welche Materialen sind Ihrer Meinung nach Gamechanger der nächsten fünf Jahre?
Nier: Es wird mehr Biokunststoffe geben, vor allem in Form von Beschichtungen für Papiere. Die Herausforderung für unsere Kunden ist dabei immer die Skalierung. Wie gut ist ein neues Material massen- und maschinentauglich? Deshalb arbeiten wir mit einem Verpackungsmaschinenhersteller zusammen und testen mit ihm neue Materialien. Generell kann man sagen, dass die gängigen Verpackungsmaterialien wie Papier, Kunststoff, Glas oder Metall werden bestimmt bleiben; in Bezug auf die Nachhaltigkeit werden sie aber stetig optimiert.
Träumen Sie! Wie sieht für Sie die ideale Endverpackung aus?
Nier: Bei der Verpackung gilt: So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Im Idealfall ist die Verpackung so optimiert, dass sie gut in den Recycling-Kreislauf gebracht werden kann. Das System ist in der Schweiz allerdings etwas anders als in Deutschland.
Wie meinen Sie das?
Nier: Die Schweiz ist einerseits das trennungsfreudigste Land Europas. Allerdings wird hier aber andererseits am meisten Abfall verbrannt. Hinzu kommt, dass die Schweiz in Europa den höchsten Kunststoffverbrauch und eines der grössten Müllaufkommen pro Kopf aufweist. Es ist zurzeit noch einfacher, die meisten Kunststoffe zu verbrennen, als wiederzuverwerten. Dies, weil es in der Schweiz keine eigenen Kunststoffsortieranlagen gibt, dafür aber sehr gute Verbrennungsanlagen. PET hingegen wird sehr gut recycelt und wie Karton und Papier getrennt gesammelt werden, ist vorbildlich!
Was kann denn die Schweiz in Sachen Verpackungskultur von anderen Ländern lernen – und vielleicht umgekehrt?
Nier: Da muss ich noch einmal den Kunststoff erwähnen. Von 780'000 Tonnen Kunststoff werden hierzulande nur 80'000 Tonnen mechanisch wiederverwertet (ca. 10 Prozent). In Deutschland liegt diese Quote bei 15 bis 20 Prozent. Umgekehrt können andere Länder vom Schweizer Trennverhalten lernen und sich etwas bei den hoch modernen Verbrennungsanlagen abschauen. Wenn schon verbrennen, dann bitte so, wie die Schweiz das macht.
Wenn wir uns in fünf Jahren wieder sprechen: Worauf hoffen Sie, stolz zurückblicken zu können? Was sollte sich bis dann in der Verpackungsindustrie grundlegend verändert haben?
Nier: Die neuen EU-Richtlinien geben klar eine nachhaltigere Entwicklung vor. In fünf Jahren werden wir zwar noch nicht alle Verpackungsmaterialen recyceln, aber wir werden grosse Schritte gegangen sein. Ich bin zuversichtlich, dass wir unsere Kunden bei der Umstellung bestmöglich unterstützen können.
Zum Abschluss: Verpackung ist ja mehr als nur Hülle – sie ist auch Botschaft. Welche Botschaft senden Ihre Designs am liebsten aus?
Nier: Ich freue mich, wenn es uns gelingt, die Werte der Absendermarke zu kommunizieren. Es geht hier ja nicht um meinen persönlichen Geschmack, sondern um das Produkt oder die Marke. Wenn es uns gelingt, in der Verpackung die Geschmackswelt abzubilden, dann haben wir unseren Job gut gemacht.
Autor: Michel Bossart