Revolution in der Logistik
Was smarte Etiketten wirklich leisten – und was nicht
Bild: Connect world / Adobe Stock
Die Logistikbranche steht vor einem Paradigmenwechsel: Smarte Etiketten wie RFID-Tags und NFC-Chips transformieren nicht nur Lagerprozesse, sondern bieten völlig neue Möglichkeiten der Datenverarbeitung. Doch wie funktioniert diese Technologie genau, wo liegen ihre Stärken – und wo ihre Schwächen?
Das Rückgrat smarter Etiketten ist RFID. Das steht für «Radio Frequency Identification» und ist eine Technologie, die es ermöglicht, Objekte kontaktlos und ohne direkte Sichtverbindung zu identifizieren. Das Prinzip ist simpel: Ein RFID-Tag, der auf einem Produkt angebracht ist, enthält relevante Daten. Diese werden über Funkwellen von einem Lesegerät ausgelesen. RFID-Systeme bestehen aus drei Komponenten – Transponder, Reader und Antennen – die zusammenarbeiten, um Informationen in Echtzeit zu übermitteln. Im Gegensatz zu klassischen Barcodes oder QR-Codes, die optisch erfasst werden müssen, bietet RFID den Vorteil, dass Daten auch durch Hindernisse wie Kartons oder Plastikverpackungen hindurch gelesen werden können. Besonders in der Logistik, wo Effizienz und Geschwindigkeit entscheidend sind, ist das ein unschätzbarer Vorteil. Eine Unterkategorie von RFID ist NFC (Near Field Communication). Während RFID-Reader Informationen über grössere Distanzen von bis zu mehreren Metern übertragen können, arbeitet NFC auf wenigen Zentimetern und ist für spezifische Anwendungen optimiert, etwa kontaktlose Zahlungen oder Zugangskontrollen. In der Logistik wird NFC seltener eingesetzt, da es vor allem für den direkten Kundenkontakt konzipiert ist.
Anwendungsfelder in der Logistik
Die Einsatzmöglichkeiten von RFID in der Logistik sind vielfältig. Besonders im Bestandsmanagement zeigt sich das Potenzial dieser Technologie: Lagerbestände können in Echtzeit aktualisiert werden, wodurch Unternehmen jederzeit einen genauen Überblick haben. Auch im Wareneingang und -ausgang sorgt RFID für Effizienz, da mehrere Produkte gleichzeitig ausgelesen werden können, ohne dass jede Verpackung einzeln gescannt werden muss. In modernen Lagerhäusern kommt zudem «Pick-by-RFID» zum Einsatz – eine Technologie, die es ermöglicht, Artikel automatisch zu erfassen und so die Kommissionierung erheblich zu beschleunigen. Doch trotz all dieser Vorteile ist RFID kein Allheilmittel. Die Implementierung solcher Systeme erfordert hohe Investitionen in Hardware, Software und Integration. Gerade kleinere Unternehmen stehen hier vor Herausforderungen. Ausserdem können metallische Umgebungen oder Flüssigkeiten die Signalübertragung stören – ein Problem, das nicht immer leicht zu lösen ist. Auch der Datenschutz bleibt eine kritische Frage: Wie können sensible Daten geschützt werden, wenn sie über Funkwellen übertragen werden?
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RFID-Systeme aus der Schweiz
Die Entscheidung für den Einsatz smarter Etiketten sollte wohlüberlegt sein. Unternehmen müssen genau abwägen, ob der Nutzen die Kosten und potenziellen Stolpersteine überwiegt. Manuel Geeler, Geschäftsführer der Identech AG, einer Anbieterin von RFID-basierten Gesamtlösungen aus Winterthur, betont: «Die Etikette selbst ist nur der Enabler. Der tatsächliche Nutzen entsteht erst durch die Gesamtlösung und die Software im Hintergrund.» Seine Firma beschäftigt sich seit 25 Jahren mit der RFID-Technologie und hat schon unzählige RFID-Projekte zum Beispiel in den Sektoren Industrie/Produktion, Logistik, Gesundheit, Verkehr oder Wartung/Unterhalt realisiert. Die Richtung ist klar: Smarte Etiketten haben das Potenzial, die Effizienz vor allem auch in der Logistik grundlegend zu verbessern. Doch ob sie den Durchbruch auf breiter Front schaffen, hängt davon ab, wie gut Unternehmen die Technologie in bestehende Systeme integrieren können – und ob sie bereit sind, die notwendigen Investitionen zu tätigen. «Das ist das A und O», sagt Geeler und fährt fort: «Smart-Label-Systeme sind komplexe Systeme, die aufeinander abgestimmt werden müssen. Vom Erstkontakt bis zur ersten Umsetzung dauert es darum gut und gerne zwei Jahre.»
Gute Erfahrungen bei Decathlon
Ein Unternehmen, das diesen Prozess seit Dezember 2023 hinter sich hat, ist der französische Sportartikelhersteller und -händler Decathlon, der schweizweit 40 Filialen betreibt. Das Smart-Label-Projekt startete bei Decathlon im Oktober 2022; bereits im Mai und Juni 2023 konnte der Testbetrieb in zwei Filialen aufgenommen werden. Aufgrund des im Test festgestellten Mehrwerts wurde die Lösung rasch in allen weiteren Filialen implementiert, wie die Pressestelle mitteilt. Decathlon ist rundum zufrieden: Vor allem Preisänderungen – zum Beispiel bei Schlussverkäufen – können quasi über Nacht durchgeführt werden und ersparen den Mitarbeitenden viel Zeit. Die Lösung sei aber nicht eingeführt worden, um Personal abzubauen, heisst es weiter, sondern damit «die Mitarbeitenden mehr von ihrer wertvollen Zeit für die Beratung der Kundinnen und Kunden einsetzen können». Zudem konnten dank den Smart-Labels die Anzahl Drucker und der Papierverbrauch in den Filialen deutlich reduziert werden.
Autor: Michel Bossart